Behandlung von Gliomen im Erwachsenenalter

2022-10-14 21:52:39 By : Mr. Henry Wang

Hintergrund: Gliome sind die häufigsten intrinsischen Hirntumoren mit einer Inzidenz von 6/100 000 /Jahr. Die Diagnose und Therapie der Gliome haben sich in den letzten Jahren deutlich verändert, wobei molekulare Parameter bereits in der Diagnostik berücksichtigt werden.

Methode: Selektive Literaturrecherche in PubMed unter besonderer Berücksichtigung der neuen WHO-Klassifikation für Gliome.

Ergebnisse: Die Klassifikation der Tumore anhand zusätzlicher molekularer Parameter erlaubt eine bessere prognostische Einordnung und unterstützt Therapieentscheidungen, die in präzisen Algorithmen münden. Die Möglichkeit zur Messung der metabolischen Aktivität mit 18F-Fluor-Ethyl-Tyrosin beziehungsweise 11C-Methionin bei Gliomen hat die Diagnostik verfeinert. Bei vollständiger Entfernung schrankengestörter Gewebeanteile wurde das Gesamtüberleben bei Glioblastomen auf bis zu 20 Monate erhöht. Das 5-Jahres-Gesamtüberleben kann bei Gliomen vom WHO Grad II bis zu 97 % betragen, wenn eine annähernd vollständige Resektion erzielt wird. Die operative Resektion der kontrastmittelaufnehmenden Tumoranteile und die postoperative Radiochemotherapie sind weiterhin tragende Therapiesäulen. Durch neue Techniken in der Operationsstrategie und Bestrahlungsplanung wurden die Verfahren effektiver und sicherer. Eine neue und positiv evaluierte Therapieoption stellt die perkutane Applikation von Tumortherapiefeldern dar. Begleitende Maßnahmen, wie Psychoonkologie und Palliativmedizin, sind von erheblicher Bedeutung für die Patienten und als obligatorisch anzusehen.

Schlussfolgerung: Durch konsequente Nutzung der multimodalen Therapiemöglichkeiten wurde in den letzten Jahren eine Verbesserung des Überlebens erreicht. Aktuelle und künftige wissenschaftliche Handlungsfelder sind Immuntherapien, zielgerichtete und kombinierte Medikamententherapien, aber auch Veränderungen der Neurokognition, moderne palliativmedizinische Ansätze und Komplementärtherapien.

Gliome stellen mit einer Inzidenz von circa 6/100 000/Jahr die häufigsten intrinsischen Hirntumore dar (1). Der Malignitätsgrad nach einer Einteilung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in benigne Tumore vom Grad I (zum Beispiel pilozytisches Astrozytom) bis zum hochmalignen Tumor Grad IV (zum Beispiel Glioblastom) beeinflusst maßgeblich die Prognose, die von einer normalen Lebenserwartung (WHO Grad I) bis zu einem medianen Überleben von 15 bis mittlerweile 20 Monaten beim Glioblastom (WHO Grad IV) reicht (2, 3). Die Glioblastome sind mit einer Inzidenz von 3–4/100 000/Jahr die häufigste Entität unter den Gliomen. Auf die WHO-Grad-I-Gliome, die beim Erwachsenen sehr selten sind, wird in diesem Artikel nicht eingegangen.

Je nach Größe, Wachstumsmuster und Lage des Tumors können viele neurologische Symptome (von fokalneurologischen Ausfällen über strukturelle Epilepsie bis hin zu psychischen Veränderungen und kognitiven Alterationen) hervorgerufen werden, wobei ein epileptischer Anfall das häufigste Primärsymptom ist: Bei Grad-II-Tumoren liegt dieses Symptom in 60–85 % der Fälle vor (4). Aufgrund der zunehmend häufiger indizierten Diagnostik mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT) steigt in den letzten Dekaden die Zahl (noch) asymptomatischer Zufallsbefunde.

Der Leser soll nach Lektüre des Beitrags:

In der Aktualisierung der Klassifikation der WHO im Jahre 2016 (5) erfolgte erstmals eine fundamentale Implementierung molekularer Parameter in die neuropathologische Diagnostik, was in Kombination mit der Tumor-Histologie beziehungsweise dem Grading, basierend auf morphologischen Merkmalen, in einer differenzierteren Einteilung von Gliomen resultierte.

Als wichtigste molekulare Marker sind zu nennen:

   – vermutlich sehr frühe Mutation in der Gliomgenese

   – charakteristisch für niedergradige oder anaplastische Gliome

   – neu aufgetretene Glioblastome sind üblicherweise IDH-1-Wildtyp (WT), eine (seltene) IDH-1-Mutation beim Glioblastom spricht für ein Hervorgehen aus einer niedergradigeren Vorstufe.

   – definiert bei IDH-1-mutierten Tumoren die oligodendrogliale Herkunft der Tumore. Astrozytome sind durch eine fehlende Kodeletion 1p/19q charakterisiert.

   – definiert die neue Entität der diffusen Mittelliniengliome, die zumeist eine ungünstige Prognose haben

   – kein Einfluss auf Diagnosestellung nach der WHO-Klassifikation, jedoch von hohem prognostischen und prädiktiven Wert (Ansprechen auf Temozolomid [6]) bei Glioblastomen.

Die aktualisierte WHO-Klassifikation ist auch die Grundlage der im Auftrag der European Association for Neuro-Oncology (EANO) erstellten Leitlinien für die Diagnose und Therapie von astrozytären und oligodendroglialen Tumoren des Erwachsenenalters (1). Die Therapieempfehlungen in dieser Leitlinie sind erstmals klar nach molekularen Parametern stratifiziert und werden Grundlage für die aktuell zu überarbeitenden nationalen Leitlinien sein. Im Folgenden sollen die wichtigsten Aspekte in der Diagnostik und Therapie von Gliomen dargestellt werden. Eine zusammenfassende Übersicht der wichtigsten Therapiealgorithmen bieten die Grafiken 1–3 .

Hierzu führten die Autoren eine selektive Literaturrecherche in PubMed zu den Themen Diagnostik und Therapie von Gliomen durch, beginnend von 1. 1. 2001 bis 30. 9. 2017.

Bildgebung in der Primärdiagnostik

Die Kernspintomographie (T1 mit und ohne Kontrastmittel, T2 und FLAIR-Sequenzen) ist derzeit die bildgebende Methode der ersten Wahl. Eine „Schrankenstörung“ im Sinne einer Kontrastmittelaufnahme im Tumorgewebe gilt als hinweisend auf ein malignes Gliom vom WHO Grad III oder IV, jedoch können auch bei großen, vermutlich niedergradigen Tumoren ohne Kontrastmittelanreicherung maligne Areale vorliegen. Ein Nachweis solcher fokaler Malignisierung ist mittels metabolischer Bildgebung (Aminosäure-Positronenemissionstomographie [PET] oder Magnetresonanztomographie mit Magnetspektroskopie) möglich (7) (Abbildung) . Bei der gut validierten PET kommt vor allem der Tracer 18F-Fluor-Ethyl-Tyrosin (FET) und in vereinzelten Zentren 11C-Methionin (MET) zur Anwendung (8).

Die Computertomographie spielt – abgesehen von der initialen Notfalldiagnostik – trotz des besseren Nachweises von fokalen Verkalkungen (typisch für Oligodendrogliome) – im klinischen Alltag eine nachgeordnete Rolle.

Da bei der operativen Therapie schrankengestörter Tumoren das kontrastmittelaufnehmende Gewebe als Zielstruktur für die Resektion angesehen wird, ist für die Beurteilung des Resektionsausmaßes eine frühe, postoperative Bildgebung mithilfe der Magnetresonanztomographie (innerhalb von 72, besser 48 Stunden) indiziert. Der Verlaufs- beziehungsweise die Therapie wurde über das konventionelle MRT kontrolliert, die Beurteilung erfolgt anhand der sogenannten RANO-Kriterien (9, 10). Bei WHO-Grad-IV-Tumoren wurden die Verläufe gemäß Leitlinie (1) alle drei Monate, bei WHO Grad II oder III alle vier bis sechs Monate, je nach klinischem Verlauf überprüft.

In unklaren klinischen Situationen mit möglichen post-therapeutischen Veränderungen erlaubt das Aminosäure-PET eine Differenzierung zwischen einer echten Progression und der sogenannten Pseudoprogression, die durch Therapiemaßnahmen wie zum Beispiel eine Bestrahlung hervorgerufen werden (11–13). Sollte auch die PET keine Klärung der Situation erlauben, ist eine stereotaktische Biopsie indiziert.

Jegliche Behandlung von Gliomen im Erwachsenenalter setzt eine Diagnosesicherung voraus. Ist eine offene Tumorresektion nicht möglich, so bietet die stereotaktisch geführte Serienbiopsie auf Basis struktureller und metabolischer Bildgebung (MRT/PET) eine für alle Altersgruppen risikoarme und sehr zuverlässige Möglichkeit, eine definitive, integrierte Diagnose für die weitere neuroonkologische Behandlung zu stellen (14, 15). Eine stereotaktische geführte Biopsie ist aufgrund ihrer geringeren Invasivität und vor allem ihrer sehr hohen Präzision einer „offenen“ Biopsie durch eine Kraniotomie vorzuziehen. Die modernen neuropathologischen Techniken erlauben es, aus den bei der stereotaktischen Biopsie gewonnen Gewebeproben von wenigen mm3-Größe alle erforderlichen histologischen und molekulargenetischen Parameter zu bestimmen.

Die Behandlung von Patienten mit Gliomen besteht in der Regel aus einer Kombination der im Folgenden genannten Optionen. In den Grafiken 1–3 ist der Therapiealgorithmus für die wichtigsten Gliom-Entitäten zusammengestellt.

Die Tumorresektion hat die Entfernung der kontrastmittel-affinen Tumoranteile (bei Glioblastomen) oder der in der T2/FLAIR-Wichtung hyperintensen Gewebeanteile (bei Gliomen der WHO Grade II/III) bei gleichzeitiger Minimierung des Risikos für den Patienten zum Ziel.

Zum Erreichen dieser Ziele steht dem Operateur eine Reihe von prä- und intraoperativen Hilfsmitteln zur Verfügung. Diese umfassen die intraoperative Bildgebung mit MRT, Computertomographie oder Ultraschall, elektrophysiologisches Monitoring, Tumordarstellung mit systemisch applizierten Fluoreszenzfarbstoffen (5-Aminolaevulinsäure, [5-ALA]) oder die Durchführung der Operation in Lokalanästhesie mit neurolinguistisch geführter Sprachkartierung des Cortex.

Ein neuerer Ansatz, der die Sicherheit der Operation bei gleichzeitiger Optimierung des Resektionsausmaßes verbessern soll, ist eine präoperative, nicht invasive, individuelle Kartierung der Hirnoberfläche mit Identifikation motorischer und sprachrelevanter Areale durch die navigierte, transkranielle Magnetstimulation (nTMS) (16).

Aufgrund ihres Wachstumsmusters sind Gliome der Grade II–IV per se nicht kurativ operativ zu behandeln. Die Rolle der chirurgischen Resektion wird daher fortlaufend evaluiert und diskutiert.

Die Datenlage für die Tumorresektion stellt sich für die verschiedenen Tumorgrade unterschiedlich dar. Bei Glioblastomen hat die vollständige Entfernung von schrankengestörten Gewebeanteilen einen positiven Einfluss auf das progressionsfreie und das Gesamtüberleben mit einer Verlängerung des mittleren Gesamtüberlebens von 12 auf 15 Monate (Evidenzklasse Ib) (17, 18). Neuere, retrospektive Daten, die eine stufenweise Verbesserung des Überlebens in Abhängigkeit von prozentual entferntem Tumor suggerieren, können mangels statistischer Schwächen und starker Verzerrungen noch nicht als verlässlich in die Therapieentscheidung einfließen (19). Das Ziel einer Resektion in der Primärtherapie des Glioblastoms bleibt daher die vollständige Entfernung schrankengestörten Gewebes ohne Funktionseinbußen für den Patienten. Nur in sehr seltenen Fällen existiert die Indikation zu einer Teilexstirpation zur Entlastung erhöhten Hirndrucks bei ausgeprägter Raumforderung.

Für die Resektion beim Rezidiv des Glioblastoma multiforme gibt es deutlich weniger Daten, jedoch liegt auch hier eine Reihe von großen, retrospektiven Analysen einen positiven Einfluss der erneuten Resektion im Kontext eines onkologischen Gesamtkonzepts nahe (20).

Generell sehen die Autoren den Einsatz der 5-ALA-Fluoreszenz oder eines intraoperativen MRT als Standard für die Operation von Glioblastomen an, da für diese Methoden jeweils ein starker Effekt auf das Erreichen des Operationsziels als auch ein Effekt auf das progressionsfreie Überleben nachgewiesen wurde (17).

Bei den Gliomen der WHO Grade II und III findet sich eine ungleich schwächere Datenlage als beim Glioblastom. In der Primärtherapie gilt die möglichst vollständige Entfernung des in der T2/FLAIR-gewichteten MRT sichtbaren Tumors als prognostisch günstig für das rezidivfreie, das progressionsfreie und das Gesamtüberleben (21, 22). Das 5- und 8-Jahres-Gesamtüberleben bei Patienten mit Resektion von mehr als 90 % des Tumorvolumens lag bei 97 beziehungsweise 91 %, bei geringerem Resektionsausmaß betrug es 76 beziehungsweise 60 % (22). Deshalb wird die weitestgehende Resektion auch bei diesen Gliomen in der Leitlinie der European Association of Neuro-Oncology (EANO) empfohlen (1). Die Rolle der Resektion im Rezidivfall ist ebenfalls unzureichend untersucht. Ein Nutzen für das Überleben konnte nur in kleineren, retrospektiven Serien gezeigt werden, sodass für die Rezidivsituation keine allgemeine, datenbasierte Empfehlung gegeben werden kann (23, 24). Unabhängig vom Nutzen für die Überlebenszeit kann eine epilepsiechirurgische Operationsindikation bestehen.

Die perkutane fraktionierte Strahlenbehandlung von Gliomen erfolgt heutzutage standardisiert und wird in der Regel gut toleriert. Insgesamt werden Strahlendosen von 50 Gy (WHO Grad II) (25) beziehungsweise 60 Gy (maligne Gliome) in täglichen Einzeldosen von 1,8–2,0 Gy an fünf Tagen pro Woche appliziert, sodass die Gesamtbehandlungszeit bei fünf bis sechs Wochen liegt. Sowohl für die Definition des Zielvolumens als auch für die Durchführung der Bestrahlung stehen Techniken zur Verfügung, die die Belastung des gesunden Gehirns und damit die Nebenwirkungen auf ein Minimum reduzieren.

Da Rezidive von Gliomen überwiegend in der direkten Nachbarschaft des Primärtumors auftreten, wird eine lokale Strahlenbehandlung der Tumorregion beziehungsweise des Tumorbetts durchgeführt. Für die malignen Gliome mit Kontrastmittelaufnahme wird ein im MRT nach Probeexzision oder Resektion sichtbarer, kontrastmittelaufnehmender Tumorrest mit einem anatomisch angepassten Sicherheitssaum von maximal 20 mm in das Bestrahlungsvolumen eingeschlossen. Bei den Gliomen ohne Kontrastmittelaufnahme erfolgt die Zielvolumendefinition in der T2/FLAIR-MRT, wobei die Sicherheitssäume dem Malignitätsgrad angepasst werden (26–28). Der Stellenwert der PET-Bildgebung mit radioaktiv markierten Aminosäuren für die Bestrahlungsplanung ist noch nicht abschließend geklärt (13).

Die Bestrahlung erfolgt vorzugsweise in der IMRT(„intensity-modulated radiotherapy“)-Technik und ist bildgeführt („image-guided radiotherapy“ [IGRT]). Hierdurch werden eine hohe räumliche Präzision und eine gute Schonung von Risikostrukturen (eloquente Hirnareale, optisches System, Hippocampus, Hypophyse, Augenlinsen) erreicht. Eine Besonderheit stellt die Bestrahlung älterer Patienten (> 60 Jahre) dar, für die eine kürzere, hypofraktionierte Behandlung (10 × 3,4 Gy in zwei Wochen) wahrscheinlich genauso effektiv wie die Standardbestrahlung ist (29).

In der Behandlung von Gliom-Rezidiven mittels perkutaner Re-Bestrahlung wurde die früher geübte Zurückhaltung weitgehend aufgegeben, da sich eine erneute, lokale Strahlenbehandlung sicher durchführen lässt (30). Die Sicherheitssäume werden hierbei deutlich kleiner gewählt, und es kommen vorzugsweise stereotaktische Bestrahlungstechniken und die PET-gestützte Bestrahlungsplanung zum Einsatz.

Bei bildmorphologisch gut umschriebenen Primär-/Rest- oder Rezidiv-Tumoren (Gliome der WHO Grade I und II, seltener auch WHO Grad III und IV) ist in ausgewählten Fällen die stereotaktisch geführte Implantation von Jod125-Seeds zur Brachytherapie indiziert (31).

Neben dem Standardtherapeutikum Temozolomid (1) kommen in der Chemotherapie von Gliomen auch die Kombination aus Procarbazin, Lomustin (CCNU) und Vincristin (sogenanntes PCV-Schema) sowohl in der Primärtherapie (Grafiken 1–3) als auch in der Rezidivtherapie zum Einsatz. Temozolomid ist Bestandteil der Primärtherapie beim Glioblastom (sogenanntes Stupp-Schema), das PCV-Schema wird vor allem bei oligodendroglialen Tumoren verwendet (32). Bei älteren Patienten mit Glioblastom können Monotherapien mit Bestrahlung oder Temozolomid (33) oder eine verkürzte Strahlentherapie mit konkomitantem Temozolomid (34) zum Einsatz kommen.

Während bis in die letzte Dekade die Indikation zur Chemotherapie bei WHO-II- bis III-Tumoren eher zurückhaltend gestellt wurde beziehungsweise diese erst im Rezidiv/Progress zur Anwendung kam, hat sich durch Langzeitergebnisse klinischer Studien das Vorgehen bei diesen Tumoren deutlich in Richtung einer früheren Chemotherapie geändert (26, 32, 35).

Hinsichtlich anti-angiogener Therapien konnten weder Bevacizumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den „vascular endothelial growth factor“ (VEGF), noch der Integrin-Inhibitor Cilengitide in großen Phase-III-Studien eine signifikante Verlängerung des Gesamtüberlebens zeigen (36, 37). Dominiert wird die aktuelle Studienlandschaft auch in der Neuroonkologie von immunologischen Studien. Bisher konnten dabei aber keine signifikant positiven Ergebnisse erzielt werden. So zeigte eine große Vakzinierungsstudie mit Rindopepimut (ACT IV) (3) keinen signifikanten Effekt auf das Überleben von Patienten mit Glioblastoma multiforme. Die Daten einer multizentrischen Studie mit Applikation dendritischer Zellen (DCVax) sind seit längerem unter Verschluss. In klinischer Überprüfung (Phase III) befindet sich aktuell aus der Gruppe der Checkpoint-Inhibitoren unter anderem Nivolumab, ein Antikörper gegen PD-1 (zum Beispiel im Rahmen der CA-209-548 und -498 Studie).

Eine unkritische Behandlung mit potenziell gefährlichen, suchterzeugenden Substanzen wie Methadon, was aktuell große mediale Aufmerksamkeit erfährt, ist aufgrund fehlender Evidenz in Form kontrollierter Studien abzulehnen.

Eine Auswahl von klinischen Studien, die zu einer Änderung der Therapiestandards geführt haben, ist in der Tabelle 1 zusammengefasst.

In vitro entfaltet die externe Applikation von elektrischen Wechselfeldern (100–300 kHz) eine antimitotische und apoptotische Wirkung auf sich teilende Tumorzellen. In einer randomisierten Studie mit permanenter Applikation dieser elektrischen Felder über die Kopfhaut (zusätzlich zur Standardtherapie) konnte eine signifikante Verlängerung des progressionsfreien und Gesamtüberlebens von Glioblastompatienten in der Primärsituation erreicht werden (38). Trotz mittlerweile überzeugender Studiendaten wird die Behandlung mit TTF derzeit noch sehr kontrovers diskutiert, wobei die ersichtliche Stigmatisierung der Patienten (vollständige Kopfrasur, Tragen von Pflastern zur Befestigung der Elektroden für mindestens 18 Stunden pro Tag) wohl die größte Rolle spielt. Basierend auf der Datenlage sollte Patienten mit supratentoriellen Glioblastomen diese Therapieoptionen angeboten werden.

Unterstützende Therapien sind heute ein unverzichtbarer Teil des Therapiekonzeptes für Gliompatienten. Ein epileptisches Anfallsleiden oder Hirndrucksymptome müssen leitliniengerecht behandelt werden, aufgrund der hohen Inzidenz von Thrombosen muss eine adäquate Thromboseprophylaxe betrieben werden, eine anti-emetische Therapie muss vor allem im Rahmen der Chemotherapien bedarfsgerecht indiziert werden. Möglichkeiten zur Unterstützung der Patienten bei ihren oftmals vielfältigen sozialen Problemen (Sozialdienst) müssen vorhanden sein. Eine zentrale Rolle kommt auch der Psychoonkologie zu, welche nicht nur für Patienten, sondern auch deren Angehörige eine wesentliche Hilfe ist.

Der natürliche Verlauf von Gliomen resultiert in komplexen Anforderungen an eine symptomlindernde, palliative Therapie. Auch wenn derzeit noch vergleichsweise wenige Daten für die spezifische Gruppe der Patienten mit Gliomen existieren, lassen sich viele palliativmedizinische Aspekte aus Studien mit anderen onkologischen Patientenkollektiven ableiten. Dies gilt besonders für die analgetische Symptomkontrolle und die Delirtherapie. Entsprechend der jüngsten Leitlinie (39) sollte den Patienten diese Therapie zu einem möglichst frühen Zeitpunkt angeboten werden.

Für Ansätze aus der Komplementärmedizin (zum Beispiel traditionelle chinesische Medizin, Phytotherapie, Homöopathie und andere) existieren keine validen Daten. Jedoch besteht mitunter eine große Patientennachfrage und in vielen Fällen ein zumindest subjektiver Nutzen durch derartige Therapieergänzungen im Sinne allgemeiner körperlicher und psychischer Stabilisierung sowie der Besserung therapieassoziierter Beschwerden (Nausea, Fatigue-Syndrom und ähnliche). Bei entsprechendem Patientenwunsch sowie seriösem Therapieanbieter ist im klinischen Alltag eine komplementäre Begleittherapie trotz derzeit fehlender Evidenz mitunter zu unterstützen.

Die dargestellten Therapiemaßnahmen sollten in Abhängigkeit von der integrierten Diagnose des Tumors sowie dem klinischen Zustand und speziellen Bedürfnissen des Patienten zu einem individuellen Therapiekonzept gemäß Leitlinien kombiniert werden (Grafik 1–3) . Dies ist die Aufgabe eines interdisziplinären, neuroonkologischen Tumorboards, dem neben den Kernfächern Neurochirurgie, Neurologie und Strahlentherapie auch internistische Onkologen, Palliativmediziner und Vertreter der diagnostischen Fächer angehören müssen. Auch komplexe Krankheitsverläufe sollten vom Tumorboard überwacht und beurteilt werden. Ein wöchentlich tagendes Tumorboard ist neben anderen Qualitätsmaßnahmen wie einem engmaschigen Komplikationsmanagement ein wesentliches Kriterium für ein hochwertiges neuroonkologisches Zentrum.

Ziele weiterer Forschungsarbeiten sind aktuell in erster Linie die Entwicklung zielgerichteter lokaler oder systemischer Therapien in Abhängigkeit von der molekularen Signatur des Tumors. Immuntherapien werden weiterhin ein zentrales Studienziel sein. Auf der anderen Seite werden in zunehmendem Umfang patientenorientierte Faktoren wie kognitive Veränderungen und die Wertigkeit einer frühen Palliativmedizin, aber auch komplementärmedizinischer Verfahren auf die Lebensqualität und das Gesamtüberleben von Patienten mit malignen Gliomen wissenschaftlich erfasst werden.

Gliome stellen mit einer Inzidenz von circa 6/100 000/Jahr die häufigsten intrinsischen Hirntumore dar.

Prognose Der Malignitätsgrad nach einer Einteilung der Weltgesundheitsorganisation in benigne Tumore vom Grad I (zum Beispiel pilozytisches Astrozytom) bis zum hochmalignen Tumor Grad IV (zum Beispiel Glioblastom) beeinflusst maßgeblich die Prognose.

Erste Symptome Je nach Größe, Wachstumsmuster und Lage des Tumors können viele neurologische Symptome hervorgerufen werden, wobei ein epileptischer Anfall das häufigste Primärsymptom ist.

Bildgebung in der Primärdiagnostik Die Kernspintomographie (T1 mit und ohne Kontrastmittel, T2 und FLAIR-Sequenzen) ist derzeit die bildgebende Methode der ersten Wahl. Eine „Schrankenstörung“ im Sinne einer Kontrastmittelaufnahme im Tumorgewebe gilt als hinweisend auf ein malignes Gliom vom WHO Grad III oder IV.

Stereotaktische Biopsie Eine stereotaktisch geführte Serienbiopsie auf Basis struktureller und metabolischer Bildgebung (MRT/PET) ist eine für alle Altersgruppen risikoarme und sehr zuverlässige Möglichkeit, eine definitive, integrierte Diagnose für die weitere neuroonkologische Behandlung zu stellen.

Operatives Vorgehen Das Ziel einer Resektion in der Primärtherapie des Glioblastoms bleibt die vollständige Entfernung schrankengestörten Gewebes ohne Funktionseinbußen für den Patienten.

Resektion beim Rezidiv Für die Resektion beim Rezidiv des Glioblastoma multiforme liegen wenige Daten vor, jedoch legt auch hier eine Reihe von großen, retrospektiven Analysen einen positiven Einfluss der erneuten Resektion im Kontext eines onkologischen Gesamtkonzepts nahe.

Bestrahlung Da Rezidive von Gliomen überwiegend in der direkten Nachbarschaft des Primärtumors auftreten, wird eine lokale Strahlenbehandlung der Tumorregion beziehungsweise des Tumorbetts durchgeführt.

Medikamentöse Tumortherapie Neben dem Standardtherapeutikum Temozolomid kommen in der Chemotherapie von Gliomen auch die Kombination aus Procarbazin, Lomustin (CCNU) und Vincristin (sogenanntes PCV-Schema) sowohl in der Primärtherapie als auch in der Rezidivtherapie zum Einsatz.

Chemotherapie bei WHO-II- bis III-Tumoren Bei WHO-II- bis III-Tumoren hat sich durch Langzeitergebnisse klinischer Studien das Vorgehen bei diesen Tumoren deutlich in Richtung eines früheren Beginns der Chemotherapie geändert.

Immunologische Studien Dominiert wird die aktuelle Studienlandschaft auch in der Neuroonkologie von immunologischen Studien. Bisher konnten dabei aber keine signifikant positiven Ergebnisse erzielt werden.

Komplementärmedizin Bei entsprechendem Patientenwunsch sowie seriösem Therapieanbieter ist im klinischen Alltag eine komplementäre Begleittherapie trotz derzeit fehlender Evidenz mitunter zu unterstützen.

Interessenkonflikt Prof. Goldbrunner wurde für Beratertätigkeiten honoriert von MagForce. Er erhielt Erstattung von Teilnahmegebühren für Kongresse und Reise- und Übernachtungskosten von Roche.

PD Grau wurde für Beratertätigkeiten honoriert von der Firma Roche. Er erhielt Erstattung von Reise- und Übernachtungskosten sowie Honorare für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Tagungen von der Firma Roche.

Dr. Weiß Lucas wurden Kongressgebühren sowie Reise- und Übernachtungskosten erstattet und er wurde für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Tagungen von der Firma Roche honoriert.

Prof. Ruge, Prof. Kocher und Prof. Galldiks erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten eingereicht: 4. 7. 2017, revidierte Fassung angenommen: 21. 3. 2018

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Roland Goldbrunner Klinik für Allgemeine Neurochirurgie Zentrum für Neurochirurgie Universitätsklinikum Köln Kerpener Straße 62 50937 Köln roland.goldbrunner@uk-koeln.de

Zitierweise Goldbrunner R, Ruge M, Kocher M, Weiß Lucas C, Galldiks N, Grau S: The treatment of gliomas in adulthood. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 356–64. DOI: 10.3238/arztebl.2018.0356

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