Hintergrund: Die Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren wie anti-programmed death-1 (anti-PD-1), anti-PD-Ligand 1 (anti-PD-L1) und anti-cytotoxic T-lymphocyte antigen-4 (anti-CTLA-4)-Antikörper kann einerseits das Überleben von Tumorpatienten verlängern. Andererseits induzieren Checkpoint-Inhibitoren durch Aktivierung des Immunsystems bei 86–96 % der Patienten autoimmune Nebenwirkungen. Bei 17–59 % der Patienten sind diese schwer oder lebensbedrohlich.
Methode: Es erfolgte eine Literaturrecherche in PubMed und eine Auswertung des Nebenwirkungsregisters.
Ergebnisse: Checkpoint-induzierte, autoimmune Nebenwirkungen manifestieren sich in allen Organsystemen, am häufigsten als Hautnebenwirkungen (46–62 %), Autoimmunkolitis (22–48 %), Autoimmunhepatitis (7–33 %) und Endokrinopathien (Thyreoiditis, Hypophysitis, Adrenalitis, Diabetes mellitus; 12–34 %). Seltener sind Pneumonitiden (3–8 %), Nephritiden (1–7 %), kardiale Nebenwirkungen inklusive Kardiomyositiden (5 %) und neurologische Nebenwirkungen (1–5 %). Schwere bis hin zu tödliche Nebenwirkungen treten bei 17–21 %, 20–28 % und 59 % der Patienten unter anti-PD-1, anti-CTLA-4-Antikörpertherapie und der zugelassenen Kombinationstherapie auf. Mit dem richtigen Monitoring können diese allerdings früh erkannt werden und sind meist gut beherrschbar. Endokrine Nebenwirkungen erfordern meist eine dauerhafte Hormonsubstitution. Patienten, die aufgrund von Nebenwirkungen die Therapie beendet haben, zeigten kein schlechteres Ansprechen ihrer Melanomerkrankung oder kein verringertes Überleben im Vergleich zu weiterbehandelten Patienten.
Schlussfolgerung: Das komplexe Management Checkpoint-induzierter Nebenwirkungen sollte durch erfahrene Zentren koordiniert werden. Der Aufbau eines interdisziplinären Tox-Teams mit Ansprechpartnern für die organspezifischen Fragestellungen hat sich als hilfreich erwiesen. Prospektive Registerstudien zur strukturierten Erfassung von Nebenwirkungen im klinischen Alltag fehlen aktuell und sind dringend erforderlich.
Immuncheckpoint-Inhibitoren aktivieren die Tumorabwehr, indem inhibitorische Interaktionen zwischen Antigen-präsentierenden Zellen und T-Lymphozyten an den sogenannten Checkpoints unterbrochen (anti-PD-1/PD-L1, anti-CTLA-4, anti-TIM-3, anti-LAG-3) oder aktivierende Checkpoints stimuliert (CD27, CD40, GITR, CD137) werden. Immuncheckpoint-Inhibitoren werden bei verschiedenen Tumorentitäten wie dem Lungenkarzinom, Nierenzellkarzinom, Merkelzellkarzinom, Hodgkin-Lymphom und dem Blasenkarzinom (eTabelle) oder speziellen Patientenpopulationen, zum Beispiel mit Mikrosatelliteninstabilität (1) eingesetzt . Bei Patienten mit metastasiertem Melanom konnten der anti-CTLA-4-Antikörper Ipilimumab, die anti-PD-1-Antikörper Nivolumab oder Pembrolizumab und die Kombinationstherapie (Ipilimumab/anti-PD-1-Antikörper) das Überleben verlängern sowie Ansprechraten von 19 % (2), 36–44 % (2, 3) und 58–61 % (2, 4) induzieren. Schwere und lebensbedrohliche Nebenwirkungen (Einteilung gemäß „Common Terminology Criteria for Adverse Events“ [CTCAE]; Grad 3/4) treten bei 17–21 % bei anti-PD-1-Monotherapie (2, 3), 20–28 % bei Ipilimumab-Therapie (2, 3), 45 % bei Ipilimumab (1 mg/kg) plus Pembrolizumab (4) und 59 % bei der zugelassenen Kombinationstherapie mit Ipilimumab (3 mg/kg) und Nivolumab auf (2) (Tabelle 1) .
Immuncheckpoint-Inhibitoren induzieren häufig autoimmune Nebenwirkungen, die jedes Organsystem betreffen können. Diese unterscheiden sich unter anderem phänotypisch, histologisch und serologisch von den korrespondierenden spontan auftretenden Autoimmunerkrankungen. Mechanismen autoimmuner Nebenwirkungen umfassen die Aktivierung von T-Lymphozyten mit Infiltration des entsprechenden Organs (5), direkte Bindung der Checkpoint-Inhibitoren mit Komplementaktivierung (CTLA-4 Expression der Hypophyse) (6) und Immunreaktionen aufgrund löslicher Faktoren (Autoantikörper, Zytokine). Zusätzlich scheint das intestinale Mikrobiom die Entwicklung von Nebenwirkungen zu beeinflussen (7, 8). Prädiktive Faktoren für das Auftreten von Nebenwirkungen wurden bislang nicht identifiziert.
Häufig sind Kolitis, Hepatitis, kutane Nebenwirkungen, Endokrinopathie (Thyreoiditis oder Hypophysitis), seltener sind (Kardio-)Myositiden und neurologische Nebenwirkungen. Meist sind die Nebenwirkungen gut beherrschbar. Ein Abbruch aufgrund von Nebenwirkungen erfolgte bei 7–12 % der Patienten unter anti-PD-1-Therapie, bei 9–16 % unter Ipilimumabtherapie (2, 3) und bei 39 % unter Kombinationstherapie (2). Therapieassoziierte Todesfälle – auch im adjuvanten Setting – wurden beschrieben (Tabelle 2) (9–16).
Der frühzeitige Einsatz von Glukokortikoiden kann autoimmune Nebenwirkungen verkürzen und Komplikationen (zum Beispiel Darmperforationen) vermeiden (17). Zum Nebenwirkungsmanagement existieren Algorithmen mit Handlungsempfehlungen. Checkpoint-Inhibitoren sind bei Melanompatienten, die aufgrund von Nebenwirkungen die Therapie pausieren oder abbrechen, nicht weniger wirksam (18–20). Bei 25 % der Patienten, die mit Ipilimumab und Nivolumab behandelt wurden, traten Nebenwirkungen in mehr als einem Organsystem auf (18). Patienten mit Symptomen in einem Organsystem müssen deshalb sorgfältig kontrolliert werden (18, 21, 22). Der vorliegende Artikel basiert auf einer Literaturrecherche in PubMed und einer Auswertung des Nebenwirkungsregisters.
Das Nebenwirkungsmanagement ist unabhängig vom auslösenden Checkpoint-Inhibitor und, obwohl sich die Häufigkeiten der Nebenwirkungen unterscheiden, ist das Spektrum gleich (Tabelle 1) (2, 3, 23). Anti-PD-L1-Antikörper, die die Interaktion zwischen PD-1 und PD-Ligand 2 nicht unterbrechen, induzieren ähnliche Nebenwirkungen (24, 25).
Avelumab ist der einzige Checkpoint-Inhibitor, der häufig infusionsbedingte Reaktionen (zum Beispiel mit Rückenschmerzen oder Blutdruckabfall) verursacht und deshalb laut Fachinformation zumindest für die ersten vier Infusionen nach Prämedikation mit Paracetamol und Antihistaminikum appliziert werden sollte.
Ziele des Nebenwirkungsmanagements sind es,
Dass bei Therapieunterbrechung wegen Nebenwirkungen die Wirksamkeit nicht verringert ist, muss bei der Aufklärung explizit erwähnt werden, damit Patienten nicht aus Angst vor Therapieabbruch Nebenwirkungen verschweigen. Die Anwesenheit der Angehörigen ist wichtig, da bei endokrinen oder neurologischen Nebenwirkungen Antriebslosigkeit und Wesensveränderungen auftreten können, die es dem Patienten unmöglichen machen, selbstständig Unterstützung zu suchen.
Vor und regelmäßig während der Behandlung, das heißt vor jedem Zyklus bei Monotherapie und wöchentlich unter Ipilimumab und Nivolumab, sollte auf klinische Symptome und Laborwertabweichungen (Elektrolytveränderungen, Transaminasen, Lipase/Amylase, Creatin-Kinase, Schilddrüsenwerte, Kreatinin, Blutbild) geachtet werden (Tabelle 3) (26). Bei Verdacht auf eine Nebenwirkung muss die Genese der Symptome vor Checkpoint-Inhibitor-Verabreichung abgeklärt werden.
Monitoring nach Abschluss der Therapie
Nebenwirkungen können auch lange nach Beendigung der Checkpoint-Therapie auftreten, wie eine neu aufgetretene Paraplegie fünf Monate nach Ipilimumab-Therapieende zeigt (27). Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) empfiehlt eine Überwachung bis mindestens fünf Monate nach der letzten Dosis, wir überwachen bis zwei Jahre nach der letzten Dosis.
Schwere und lebensbedrohliche Diarrhöen/Kolitiden treten am häufigsten unter Kombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab (15 %) auf und deutlich seltener unter anti-PD1-Therapie (1–4 %) (Tabelle 1) (2, 3, 28). Schwerste Verlaufsformen mit intestinaler Perforation und Todesfällen (< 1 %) sind vor allem in früheren Therapiestudien beschrieben (29, 30). Bei gastrointestinalen Symptomen (26) sollte eine Stuhldiagnostik auf pathogene Keime erfolgen. Bei schweren oder therapierefraktären Verläufen sollte eine Cytomegalievirus(CMV)-Reaktivierung mittels CMV-PCR (PCR, Polymerasekettenreaktion) im Serum und Koloskopie mit Biopsieentnahme inklusive immmunhistochemischer CMV-Färbung und CMV-PCR ausgeschlossen werden (Tabelle 3, eAbbildung a) (31–34). Das Therapiemanagement erfolgt schweregradabhängig gemäß CTCAE-Einteilung. Gastrointestinale Nebenwirkungen des Grades 3/4 bedürfen der prompten Einleitung einer hoch dosierten Therapie mit 1–2 mg/kg Methylprednisolon pro Tag. Bei steroidrefraktären Fällen oder erneutem Auftreten der Symptome bei Dosisreduktion wird zusätzlich der neutralisierende Tumornekrosefaktor(TNF)-α-Antikörper Infliximab verabreicht (26, 31, 35). Bei über mehr als zwei Wochen anhaltenden Beschwerden empfiehlt sich zusätzlich die parenterale Ernährung.
Eine schwere oder lebensbedrohliche Autoimmunhepatitis kommt unter Kombinationstherapie bei 20 % der Patienten vor, meist als asymptomatische Erhöhung der Transaminasen mit oder ohne Bilirubinerhöhung (Tabelle 1) (2, 28, 36). Typischerweise finden sich keine leberspezifischen Autoantikörper (36, 37). Nach Ausschluss von Infektion oder Tumorprogression (Tabelle 3) sollte bei Grad 3/4-Autoimmunhepatitis eine immunsuppressive Therapie mit 1–2 mg/kg Methylprednisolon pro Tag eingeleitet werden. Bei fehlendem Ansprechen wird die Hinzunahme von Mycophenolat-Mofetil empfohlen (26, 31, 35). Eine Leberbiopsie kann zur Diagnosesicherung und für weitere Therapieentscheidungen hilfreich sein (31, 36, 38). Die erfolgreiche Gabe von Anti-Thymozyten-Globulin bei Glukokortikoid- und Mycophenolat-Mofetil-refraktären Fällen ist beschrieben (37, 39, 40). Bei langandauernden oder schweren Verläufen sollten erneut andere Ursachen wie eine CMV-Reaktivierung ausgeschlossen werden (e1).
Asymptomatische Lipase-/Amylaseerhöhungen bedürfen meist keiner Therapie (2). Bei symptomatischen Verlaufsformen können Steroide eingesetzt werden (31). Pankreatitis mit und ohne nachfolgende Pankreasinsuffizienz wurde beschrieben (9).
Endokrinopathien: Thyreoiditis, Hypophysitis und Diabetes mellitus
Zu den häufigsten endokrinen Nebenwirkungen gehören Schilddrüsenfunktionsstörungen und Hypophysitis, die vor allem unter Kombinationstherapie (28 % und 7 %) und anti-PD-1-Antikörpern (15 % und 1 %) auftreten (Tabelle 1) (2). Eine Adrenalitis zeigt sich bei 1–4 %, Diabetes mellitus und Diabetes insipidus bei < 1 % der Patienten (9, 26, 28, e2–e4). Unter Kombinationstherapie kommen häufiger mehrere endokrine Nebenwirkungen vor (e5).
Aufgrund der oft unspezifischen Symptome endokriner Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwächegefühl, Schwindel, Übelkeit/Erbrechen, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Libidoverlust, Visusstörungen, abdominelle Schmerzen, vermehrtes Schwitzen, oder Tachykardie (31) kann die Abgrenzung zu anderen Ursachen wie Progress der Grunderkrankung oder Infektionen eine Herausforderung darstellen (Tabelle 3) .
Bei Thyreoiditis kommt es meist zu passagerer Hyperthyreose mit anschließender Hypothyreose (28, e6). Hypophysitis (eAbbildung b) , die bei 1–7 % der Patienten auftritt, führt zu sekundärer Nebennierenrinden-Insuffizienz mit Antriebsschwäche, Verwirrtheit und Elektrolytstörungen (2, e2, e3, e5). Daneben kann auch eine Adrenalitis mit primärer Nebennierenrinden-Insuffizienz entstehen. Der Ausfall der kortikotropen Achse imponiert als Addison-Krise, mit Dehydratation, Hypotension, Hyponatriämie oder auch Fieber und abdominellen Schmerzen. Diese Notfallsituation erfordert die unverzügliche intravenöse Gabe von Glukokortikoiden (26, 31, e2).
Fälle von insulinabhängigem Diabetes mellitus sind beschrieben (9, e4, e7–e11), sodass regelmäßige Blutzuckerkontrollen empfohlen werden.
Neben der Hormonersatztherapie kann gegebenenfalls zusätzlich eine symptomorientierte Therapie und/oder eine immunsuppressive Therapie mit Glukokortikoiden erfolgen (26, 31, e12). Bei Nebennierenrinden-Insuffizienz ist die Hormonersatztherapie in Situationen mit erhöhtem Glukokortikoidbedarf (Infekt/Stress) anzupassen. Der Patient muss dementsprechend geschult werden und einen Notfallausweis erhalten (31). Die Checkpoint-Blockade kann unter entsprechender Hormonersatztherapie fortgeführt werden.
Die Inzidenz der Pneumonitis liegt unter Checkpoint-Blockade bei 3–10 % und führt bei 0,2–2 % der Patienten zum Tod (18, e13–e15). Die häufigsten Symptome sind Dyspnoe (53 %), Husten (35 %), Fieber (12 %) und Brustschmerzen (7 %) (e14). Ein Drittel der Patienten ist bei Erstdiagnose asymptomatisch und die Diagnosestellung erfolgt beim Staging (Abbildung a) (e15). Röntgen-Thorax-Untersuchungen zeigen bei einem Viertel der Patienten die Pneumonitis nicht (e14). Die Checkpoint-Blockade sollte pausiert und 1–2 mg/kg Methylprednisolon pro Tag gegebenenfalls unter antibiotischer Abdeckung gegeben werden. Bei Therapieversagen wird zusätzlich eine immunsuppressive Therapie mit Infliximab, Mycophenolat-Mofetil oder Cyclophosphamid empfohlen (31). In den meisten Fällen kann eine Wiedereinleitung der Checkpoint-Blockade erfolgen (e14).
Sarkoidose-ähnliche Syndrome mit zentraler Lymphadenopathie und möglichem Befall weiterer Strukturen wie zum Beispiel Knochen (e16–e19) werden durch Therapie mit Checkpoint-Blockern induziert und stellen eine differenzialdiagnostische Herausforderung dar.
Eine Verschlechterung der Nierenfunktion bei anti-PD-1-Monotherapie ist sehr häufig (13–22 %), wobei eine Nephritis nur in 0,4–0,9 % der Fälle beschrieben wird (Fachinformation [www.fachinfo.de]; Tabelle 1 ) (e20), aber bereits nach einer Infusion auftreten kann (e21). Nierenversagen ist nach verschiedenen Checkpoint-Inhibitoren ebenfalls beschrieben (e22, e23). Renale Nebenwirkungen umfassen die tubulointerstitielle Nephritis (16, e24–e26), Glomerulonephritiden (e27, e28) und thrombotische Mikroangiopathie (e29). Einzelfälle dokumentieren eine Lupusnephritis (e28) und eine möglicherweise assoziierte IgA-Nephropathie (e30).
Die Nierenfunktion normalisiert sich unter Glukokortikoidtherapie meist auf die Baselinewerte (26).
Kardiale Nebenwirkungen mit Myokarditis, Kardiomyopathie sowie akutem Herzversagen können tödlich verlaufen (10, e31, e32) – selbst im adjuvanten Setting (29) (Tabelle 2) . Daher sollte bei geringsten Anzeichen von Kreatinkinase- oder Troponinerhöhung beziehungsweise klinischen Symptomen eine kardiologische Abklärung erfolgen (Tabelle 3) . Nach dem ersten, im Jahr 2013 berichteten Fall von Kardiotoxizität mit Myokardfibrose innerhalb einer retrospektiven Studie bei 752 mit Ipilimumab behandelten Patienten (16) zeigte auch die anti-PD-1-Therapie eine erhöhte Inzidenz kardiotoxischer Nebenwirkungen (5 % versus 0 % in der Kontrollgruppe [Fachinformation]). Eine Checkpoint-Blockade kann unterschiedlichste Präsentationen inklusive Herzversagen, Kardiomyopathie, Herzüberleitungsstörungen und Myokarditis (11) verursachen, wobei letztere am häufigsten ist (1 %) (e33, e34). Myokarditis ist häufig mit Myositis und Myasthenie-artigen Symptomen oder Rhabdomyolyse assoziiert und führt in circa 44–50 % der Fälle zum Tod (e35, e36). Fälle Checkpoint-induzierter Perikarditis, Perikarderguss und -tamponade (22, e37, e38), Reizüberleitungsstörungen (e39) und Kardiomyopathie mit Tako-Tsubo-artigem Syndrom (e40) sind dokumentiert.
Das Monitoring der Patienten inklusive Bestimmung der Kreatinkinase und die sorgfältige Abklärung kardialer Symptome vor jeder Infusion sind essenziell. Die Behandlung mit Kortikosteroiden zusätzlich zur symptomatischen Therapie kann Leben retten (e33, e41).
Bei muskuloskeletalen Nebenwirkungen treten Myositiden, zum Teil mit Kardiomyositis auf (e36). Bei Diaphragmabeteiligung kann sich die Myositis mit Dyspnoe manifestieren (e42). Autoantikörper sind bei den Checkpoint-Inhibitor-induzierten Myositiden meist negativ. Polymyalgia rheumatica und Arthritiden bei 6–11 % der Patienten (26, e43, e44) können mutilierend verlaufen (e45). Fälle von Rhabdomyolyse (21, e46, e47), Dermatomyositis (e48), eosinophiler Fasziitis (e44), Tendosynovitis (e49) und Riesenzell-Arteriitis (e50) sind dokumentiert. Die Behandlung erfolgt mit Glukokortikoiden und gegebenenfalls immunmodulatorischen Therapien wie Methotrexat oder Biologika wie dem Interleukin-6-Rezeptor-Antikörper Tocilizumab (e51).
Neurologische Nebenwirkungen bei 1–5 % der Patienten (13, 16, 31, e52) sind wegen hoher Morbidität mit Folgeschäden (13) und bedeutender Mortalität zum Beispiel durch das Guillain-Barré-Syndrom (29), Enzephalopathie oder Paralyse sehr relevant (Tabelle 2) (e53). Symptome wie Kopfschmerzen, Schwindel, Apathie, Ataxie, Tremor, Lähmungen, Vigilanz-, Sprach- oder Gedächtnisstörungen müssen abgeklärt werden (Tabelle 3) .
Nebenwirkungen auf das zentrale Nervensystem (ZNS) umfassen Enzephalopathien (e54–e61), granulomatöse ZNS-Entzündung (16), limbische Enzephalitis (e62), nichtinfektiöse Meningitis (e63), das Tolosa-Hunt-Syndrom (16) und transverse Myelitis (e64). Fokale Anfälle und Epilepsie können auftreten (e65), unter anderem mit konsekutiver parkinsonoidartiger Bradykinesie (13). Weiterhin wurde über Dysgeusie beziehungsweise Hypogeusie, Schlaflosigkeit oder Hypersomnie, Lethargie, Gedächtnis- und Gleichgewichtsstörungen berichtet. Eine Myelopathie führte zu Paraplegie (e66). Eine Checkpoint-induzierte Hirnstammenzephalitis führte innerhalb einer Woche zum Tod (12).
Bei Nebenwirkungen peripherer Nerven wurde über periphere Neuropathien (inklusive Fazialis- und Abduzensparesen) (e67, e68), chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (e64), Meningoradikuloneuritis, enterische Neuropathie und nekrotische Myelopathie (e66), Demyelinisierungen (e69), Hyperästhesie, Neuralgie und Optikusneuritis berichtet.
Checkpoint-induzierte oder exazerbierte Myasthenia gravis führte in einem Drittel der Fälle zum Tode (e70). Acetylcholin-Antikörper fehlen meist. Systemerkrankungen wie Sarkoidose können mit neurologischen Symptomen einhergehen (e71).
Glukokortikoidgaben können die neurologischen Symptome verbessern (13, e72). Zusätzlich können intravenöse Immunglobuline (IVIG), Plasmapherese und/oder der Kostimulationshem mer Abatacept eingesetzt werden (13, e73). Die Differenzialdiagnose umfasst zerebrale Metastasen, Ischämien und Infektionen sowie, insbesondere bei Wesensänderungen, Endokrinopathien.
Kutane und okuläre Nebenwirkungen
Hautreaktionen treten bei 46–62 % der Patienten auf, sind aber in ≥ 90 % der Fälle mild (e74, e75) und können mit rückfettenden Externa und topischen Glukokortikoiden behandelt werden (e76). Schwere Hautnebenwirkungen in 2–6 % umfassen „drug reaction with eosinophilia und systemic symptoms“ (DRESS), Stevens-Johnson-Syndrom, toxisch epidermale Nekrolyse oder bullöse Hautveränderungen wie bullöses Pemphigoid (e77–e80) und Dermatitis herpetiformis (e81). Letztere sollten dermatologisch, inklusive Immunfluoreszenz, evaluiert werden (e82). Ein weiteres Phänomen ist die Leukotrichie (Abbildung b) .
Lichenoide Hautreaktionen, zum Teil mit Schleimhautbeteiligung, traten bei 17–22 % der Patienten auf (e82, e83). Weiterhin können psoriasiforme Hautveränderungen induziert werden oder eine vorbestehende Psoriasis, beziehungsweise Psoriasisarthritis, exazerbieren (e84–e86). Morbus Grover, Pityriasis lichenoides chronica-artige Reaktionen, Dermatomyositis und Erythema nodosum-artige Pannikulitiden wurden beschrieben (e48, e87–e90).
Autoimmune Nebenwirkungen am Auge umfassen Blindheit (e23), anteriore Uveitis (e91, e92), Sicca-Syndrome (e45, e93) sowie Ischämie/Neuritis des Nervus opticus und Arteriitis temporalis (e50, e94).
Hämatologische und andere Nebenwirkungen
Hämatologische Nebenwirkungen umfassen Anämie (2,8 %) (e95, e96), Thrombopenie (1,2 %) (e97, e98), Leukopenie (0,5 %), Lymphopenie (6,4 %) und Neutropenie (0,7 %) (26, e99). Blutbildveränderungen können als Panzytopenie oder Agranulozytose (e100) sehr gefährlich werden (e35) (Tabelle 2) . Bei 43 % der komplett dokumentierten Fälle verlief die damit einhergehende therapieresistente autoimmunhämolytische Anämie tödlich (e35). Eine erworbene Hämophilie nach Ipilimumab-Therapie ist ebenfalls dokumentiert (e101). Die Therapie mit Glukokortikoiden kann erfolgreich sein (e102), ebenso wie der Einsatz von Granulozytenkolonie-stimulierendem Faktor.
Infusionsreaktionen treten vor allem bei Avelumab (17 %) auf, bei den anderen Checkpoint-Inhibitoren mit 4 % weniger häufig (Tabelle 1) .
Bei den meisten Nebenwirkungen ist die prompte Glukokortikoidtherapie ausreichend (1–2 mg/kg Körpergewicht Methylprednisolon pro Tag; Ausschleichen über 28 Tage). Prolongierte Glukokortikoidtherapie kann unter anderem eine Nebennierenrinden-Insuffizienz induzieren.
Endokrine Nebenwirkungen bedürfen – meist lebenslanger – Hormonsubstitution (e12). Aktuell ist unklar, ob die Hochdosis-Glukokortikoidtherapie zum Erhalt der Hormonfunktion beiträgt. Für die Hypophysitis scheint dies nicht der Fall zu sein (e12).
Bei Glukokortikoid-refraktären Nebenwirkungen ohne Besserung der Beschwerden über 3–4 Tage sollte die Immunsuppression unverzüglich eskaliert werden. Bei fehlendem Ansprechen beziehungsweise langandauernden oder schweren Verläufen trotz Hinzunahme eines zweiten Immunsuppressivums empfiehlt sich der erneute Ausschluss einer Infektion (34, e103).
Eine Wiedereinleitung nach vorherigen Nebenwirkungen sollte unter Berücksichtigung der folgenden Faktoren mit dem Patienten diskutiert werden:
Lebensbedrohliche Nebenwirkungen stellen eine Kontraindikation für die Wiedereinleitung einer Immuntherapie dar (5). Die erneute anti-PD-1-Therapie induziert bei circa 25 % der Patienten erneut Nebenwirkungen (19, e14). Exazerbationen bei Kardiomyositis, Thrombozytopenien und bullösen Hauterkrankungen bei Re-Exposition sind beschrieben (e32, e80, e104).
Vorbestehende Autoimmunerkrankungen stellen per se keine Kontraindikation für eine Checkpoint-Blockade dar (5). Bei Patienten mit vorbestehender Autoimmunerkrankung, die mit Checkpoint-Inhibitoren behandelt wurden, kam es bei 32–33 % zu einem Ansprechen (e105, e106) und bei 38–42 % unter anti-PD-1-Therapie (e105, e106) beziehungsweise bei 27 % unter anti-CTLA-4-Therapie zu einer Reaktivierung der Autoimmunerkrankung (e107). Rheumatologische Grunderkrankungen exazerbierten am häufigsten (> 50 %) (e105, e106); Exazerbationen von multipler Sklerose und Myasthenia gravis sind beschrieben (e70, e108).
Bei Transplantierten kann die Immuntherapie ebenfalls trotz Immunsuppression ein Ansprechen (e109), jedoch auch Abstoßungsreaktionen induzieren (5). Diese sind unter anti-PD-1-Therapie häufig beschrieben, während Ipilimumab bei fünf Patienten mit Organtransplantation (jeweils zwei Fälle mit Nieren- und Lebertransplantation, ein Fall mit Herztransplantation) zu keiner Abstoßungsreaktion führte (e109, e110). Bei Patienten mit Lebertransplantation kam es unter anti-PD-1-Therapie in 46 % zu teils letalen Abstoßungsreaktionen (e111–e113). Bei Patienten mit Nierentransplantation sind Abstoßungsreaktionen in 38 % beschrieben (e109, e112, e114–e116). Ein herztransplantierter Patient zeigte keine Abstoßungsreaktion unter anti-PD-1-Therapie (e109).
Auch bei Patienten mit chronischer Hepatitis B/C oder HIV zeigte sich unter anti-PD-1-Therapie ein Therapieansprechen und kein erhöhtes Risiko hinsichtlich der Nebenwirkungen oder einer Virusaktivierung (e112, e117–e119).
Patienten mit komplexen Nebenwirkungen oder relevanten Vorerkrankungen sollten in einem erfahrenen Zentrum betreut werden. Bei Glukokortikoid-refraktären Nebenwirkungen sollte die Immunsuppression – gegebenenfalls nach erneuter Diagnostik – weiter eskaliert werden. Die Nebenwirkungsdokumentation in Studien muss verbessert werden: mit spezifischer Angabe der Todesfälle statt Subsumierung unter ≥ Grad 3 Nebenwirkungen und Dokumentation von Nebenwirkungen auch unterhalb einer Inzidenz von 5 % sowie unter der Prozentangabe der Patienten mit bleibenden Schäden. Die strukturierte Dokumentation seltener Nebenwirkungen oder Nebenwirkungen in speziellen Patientenpopulationen könnte zur Identifizierung von Risikofaktoren beitragen. Ein Online-Nebenwirkungsregister hierfür ist in Zusammenarbeit mit dem Paul-Ehrlich-Institut in Vorbereitung.
Danksagung Wir danken Frau Prof. Dagmar Führer für die kritische Durchsicht des Manuskripts. Interessenkonflikt
Manuskriptdaten eingereicht: 1. 5. 2018, revidierte Fassung angenommen: 6. 12. 2018
Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Lucie Heinzerling, MPH Hautklinik, Universitätsklinikum Erlangen Ulmenweg 18, 91054 Erlangen Lucie.Heinzerling@uk-erlangen.de
Zitierweise Heinzerling L, De Toni E, Schett G, Hundorfean G, Zimmer L: Checkpoint inhibitors—the diagnosis and treatment of side effects. Dtsch Arztebl Int 2019; 116: 119–26. DOI: 10.3238/arztebl.2019.0119
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter: www.aerzteblatt-international.de
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