Hintergrund: Die Prävalenz von Schwangerschaften bei Frauen mit chronischer Erkrankung steigt kontinuierlich. Dies gilt insbesondere für Autoimmunerkrankungen, da sie überwiegend Frauen in ihrer reproduktiven Phase betreffen. Die Wechselwirkungen zwischen Schwangerschaft und der jeweiligen Vorerkrankung können in einer erhöhten Rate mütterlicher, fetaler und geburtshilflicher Komplikationen resultieren und eine besondere Betreuung erforderlich machen.
Methode: Es wurde eine selektive Literaturrecherche in PubMed durchgeführt (2015–2020).
Ergebnisse: Die Schwangerschaftsverläufe sind sehr divers. Während für manche Autoimmunerkrankungen eine Besserung der Grunderkrankung und keine schwerwiegenden geburtshilflichen Komplikationen zu erwarten sind, besteht für andere das Risiko einer erhöhten Krankheitsaktivität mit Verschlechterung des mütterlichen Zustands sowie geburtshilflichen und perinatalen Komplikationen. Bei systemischem Lupus erythematodes und Myasthenia gravis können sich aus dem transplazentaren Übergang spezifischer Auto-Antikörper fetale Krankheitsbilder ergeben.
Schlussfolgerung: Die Betreuung Schwangerer mit chronischer Erkrankung erfordert eine Verzahnung der Fachdisziplinen und Versorgungsebenen. Eine präkonzeptionelle Stabilität der Krankheitsaktivität, eine engmaschige interdisziplinäre Betreuung und eine sorgfältig ausgewählte medikamentöse Therapie reduzieren mütterliche und perinatale Komplikationen.
Fortschritte in der Therapie chronischer Erkrankungen und die damit verbundene höhere Lebensqualität sowie -erwartung eröffnen betroffenen Paaren die Möglichkeit, ihren Kinderwunsch zu verwirklichen. Für die oft mit Subfertilität assoziierten Erkrankungen stehen darüber hinaus reproduktionsmedizinische Maßnahmen zur Verfügung.
Es ist daher nicht überraschend, dass in den letzten Dekaden eine stetige Zunahme von Schwangerschaften bei Frauen mit chronischen Erkrankungen zu beobachten ist. Eine dänische Registerstudie verzeichnete zwischen 1989 und 2013 einen Anstieg in der Prävalenz von 3,7 % auf 15,8 %: Eine drei- bis achtfache Steigerung wurde für die Autoimmunerkrankungen rheumatoide Arthritis (von 0,1 % auf 0,73 %), systemischer Lupus erythematodes (von 0,02 % auf 0,07 %), chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (von 0,3 % auf 1,09 %) und multiple Sklerose (von 0,04 % auf 0,26 %) nachgewiesen (1). In einer Untersuchung aus Deutschland für den Zeitraum von 2002–2008 berichteten 21,4 % aller Schwangeren, an einer chronischen Erkrankung zu leiden (2).
Schwangerschaften bei Vorerkrankung sind potenziell Risikoschwangerschaften und mit einer erhöhten Rate mütterlicher sowie geburtshilflicher Komplikationen verbunden. In einer aktuellen US-amerikanischen Untersuchung von knapp 1,5 Millionen Geburten wurde für Schwangere mit Vorerkrankung eine 4,8-fach höhere Rate schwerer mütterlicher Komplikationen nachgewiesen (0,5 % schwere Komplikationen für Frauen ohne Vorerkrankung, 5,6 % bei Vorliegen von ≥ 3 Komorbiditäten) (3). Auch für mütterliche Todesfälle zeigt sich diese Entwicklung: Während früher direkte Todesursachen wie Prä-/Eklampsie, Thromboembolien oder Blutungen die Statistik anführten, dominieren seit über 20 Jahren Vorerkrankungen oder sich erstmals in der Schwangerschaft manifestierende, nichtgeburtshilfliche Erkrankungen die mütterliche Mortalität (4).
Autoimmunologische Erkrankungen sind durch eine Prädilektion von Frauen sowie einer Erstmanifestation während der reproduktiven Phase gekennzeichnet. Sie gehören daher zu den häufigsten Vorerkrankungen in der Schwangerschaft. Gleichzeitig sind die zu erwartenden Verläufe sehr divers und reichen von einer Verbesserung der Symptomatik, zum Beispiel bei rheumatoider Arthritis, bis zu einer Verschlechterung mit maternalen und fetalen Komplikationen wie bei systemischem Lupus erythematodes.
Ursachen für diese Unterschiede sind unklar, jedoch werden die komplexen immunologischen Umstellungen während der Schwangerschaft hiermit in Verbindung gebracht. Diese sind von einer Immuntoleranz gegenüber den vom Feten beziehungsweise den trophoblastären Zellen exprimierten, väterlich geerbten Antigenen geprägt (e1). Geburtshilfliche Komplikationen bestehen üblicherweise in einer unterschiedlich stark erhöhten Rate an Aborten, intrauterinen Fruchttoden, fetaler Wachstumsrestriktion und Frühgeburtlichkeit. Langzeitauswirkungen, die sich durch das veränderte intrauterine Umfeld ergeben, gelangen immer mehr in den Fokus der Forschung; diese betreffen zum Beispiel die Entstehung kardiovaskulärer und metabolischer Erkrankungen (e2, e3, e4, e5).
Die Leserinnen und Leser sollen nach der Lektüre dieses Beitrags
Gemäß ihrer Vorerkrankung werden Betroffene von Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Versorgungsebenen betreut. Im Fall einer Schwangerschaft erweitert sich dieses Team durch die Einbeziehung von Expertinnen und Experten der Fachrichtungen maternale und pränatale Medizin sowie Risiko-Geburtshilfe. Für einige Erkrankungen sind Handlungspfade in den jeweiligen Leitlinien erwähnt. Die Mutterschaftsrichtlinien führen die Versorgung Schwangerer mit chronischer Vorerkrankung jedoch nicht aus (5).
Ziel ist ein Betreuungsbogen, der die präkonzeptionelle Beratung sowie die Behandlung während Schwangerschaft und Geburt bis ins Wochenbett umfasst. Dies beinhaltet auch die Verzahnung der Versorgungsebenen. Ein Team mit benannten Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartnern sollte für die Betreuung gewährleistet sein, insbesondere bei komplexen Fällen mit einem hohen Risiko für Komplikationen im Schwangerschaftsverlauf. Eine zentralisierte Betreuung in Institutionen mit entsprechender Expertise ist ein weiteres Element, das in einem besseren Ergebnis für Mutter sowie Neugeborenes resultiert und für Schwangere mit schwerwiegenden Krankheitsverläufen empfohlen wird (e6).
Eine wesentliche Voraussetzung eines erfolgreichen Schwangerschaftsverlaufs besteht in der präkonzeptionellen Stabilisierung einer Erkrankung. Frauen mit chronischen Erkrankungen sollten daher ihre Schwangerschaft planen. Darüber hinaus sollte eine präkonzeptionelle Beratung stattfinden, in der unter anderem die zu erwartenden Wechselwirkungen zwischen Vorerkrankung und Schwangerschaft besprochen werden und die Medikation überprüft wird.
Die medikamentöse Therapie während Schwangerschaft und Stillzeit ist von drei Problemen gekennzeichnet:
Die wenigsten Medikamente erzeugen ein klar erkennbares Fehlbildungsmuster. Vielmehr liegt einer Fehlbildung zumeist ein multifaktorielles Geschehen zugrunde und Hinweise auf einen teratogenen Effekt eines Medikaments ergeben sich aus der Erhöhung des relativen Risikos. Die europäische Arzneimittelagentur fordert für eine ausreichende Beurteilung prospektiv erhobene Daten von mindestens 1 000 im Ersttrimester exponierten Schwangerschaften (6). Andererseits besteht für verschiedene Erkrankungen Unklarheit, ob die Erkrankung selbst oder die eingesetzten Medikamente das Risiko einer Fehlbildung erhöhen (e7, e8).
Letztlich bedarf die Verordnung von Medikamenten in der Schwangerschaft besonderer Sorgfalt und sollte auf der Grundlage aktueller Daten sowie der individuellen Anamnese und des Krankheitsverlaufs im Rahmen eines Beratungsgesprächs erfolgen (e9). Der Ersatz der FDA-Klassen durch die „Pregnancy and Lactation Labelling Rule“ (7) trägt diesem Umstand Rechnung.
Im Folgenden werden ausgewählte neurologische, entzündlich-rheumatische und gastroenterologische Autoimmunerkrankungen bezüglich ihrer Betreuung im Rahmen von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett vorgestellt. Die Tabellen ermöglichen eine Übersicht über die Erkrankungen (Tabelle 1) , die eingesetzten Medikamente (eTabelle) sowie die fetale Überwachung (Tabelle 2, 3) .
Das therapeutische Spektrum neuroimmunologischer Erkrankungen hat sich in den letzten Jahren erheblich erweitert, weswegen der Planung einer Schwangerschaft eine besondere Rolle zukommt. Eine Übersicht über die zugelassenen Immuntherapien und den speziellen Umgang in Schwangerschaft und Stillzeit gibt die eTabelle , zusammengefasst nach Krysko et al. (8) und Mao-Draayer et al. (9). Falls eine Schwangerschaft unter teratogener Medikation eintritt, ist eine umgehende Vorstellung in einem Zentrum zur ausführlichen Beratung erforderlich und differenzierte Ultraschalluntersuchungen anzuraten.
Die multiple Sklerose betrifft vorwiegend Frauen und wird in mehr als zwei Drittel der Fälle im jungen Erwachsenenalter diagnostiziert. Interessanterweise nimmt die Inzidenz in den letzten Dekaden insbesondere bei Frauen zu (e10). Schwangerschaften von Frauen mit multipler Sklerose verlaufen in der Regel unbeeinflusst von der Grunderkrankung ohne Risikoerhöhung eines negativen Schwangerschaftsausgangs. Das Geburtsgewicht im Vergleich zu Neugeborenen gesunder Mütter ist reduziert (10). Die Schwangerschaft führt bei den betroffenen Patientinnen meist zu einem Rückgang der Schubrate im letzten Drittel der Schwangerschaft und einem Anstieg in den ersten Monaten nach der Geburt. Die Krankheitsaktivität in der Schwangerschaft ist von der Aktivität der Grunderkrankung und vom Zeitpunkt des Absetzens der verschiedenen Immuntherapien abhängig (8). Schwangerschaften beeinflussen die langfristige Prognose der Erkrankungen nicht.
Die Krankheitsstabilisierung vor der Schwangerschaft ist von Vorteil. Neuere Daten weisen darauf hin, dass die Anwendung von Medikamenten mit längerer biologischer Wirkung bei der multiplen Sklerose auch in der Schwangerschaft vor Krankheitsaktivität schützen kann (8, 11). Bei der multiplen Sklerose müssen leichte Schübe (ohne relevante Funktionseinschränkung) in der Schwangerschaft nicht mit Kortikosteroiden behandelt werden. Bei schweren Schüben sollte Kortison hoch dosiert verabreicht oder eine Immunadsorption oder Plasmapherese durchgeführt werden.
Geburtsmodus und Art der Narkose beeinflussen die Schubrate bei Schwangeren mit multipler Sklerose nicht. Frauen mit dieser Erkrankung sollten in ihrem Stillwunsch unterstützt werden. Das Stillen erhöht das postpartale Schubrisiko nicht. Vorläufige Ergebnisse noch kleiner Kohorten rezenter Studien weisen darauf hin, dass auch unter der Therapie mit monoklonalen Antikörpern off-label gestillt werden könnte (12) (eTabelle) .
Die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen stellen ein sehr seltenes neuroimmunologisches Erkrankungsspektrum mit schubförmigem Verlauf dar, von dem insbesondere Frauen betroffen sind. Es kann mit erhöhten Schwangerschaftskomplikationen (Aborten) sowie schweren Schüben assoziiert sein. Diese Erkrankungen sind in Tabelle 1 als eigene Entität aufgenommen. Therapeutisch (Azathioprin, Mycophenolatmophetil, Rituximab, Satralizumab, Eculizumab) findet sich eine große Überlappung zu anderen Autoimmunerkrankungen.
Die Myasthenia gravis hat eine zweigipflige Verteilung (in der dritten und jenseits der sechsten Dekade), wobei bei den Jüngeren vorwiegend Frauen betroffen sind. Man unterscheidet eine generalisierte und okuläre Form, letztere mit besserer Prognose. Ein erhöhtes assoziiertes Frühgeburtsrisiko wird diskutiert, ansonsten scheinen Schwangerschaftskomplikationen nicht vermehrt aufzutreten (13, 14). Eine ganz aktuelle Auswertung US-amerikanischer Versicherungsdaten weist auf mehr respiratorische Komplikationen bei der Mutter und längere Krankenhausaufenthalte hin (gesunde Frauen: 0,1 %; Frauen mit Myasthenia gravis: 2,26 %) (15).
Der Verlauf der Myasthenia gravis in der Schwangerschaft ist von großer individueller Bandbreite geprägt. Bei vielen Schwangeren verläuft die Erkrankung stabil, kann sich aber auch verschlechtern, ein kleiner Teil verbessert sich sogar. Verschlechterungen treten im ersten oder zweiten Drittel der Schwangerschaft und/oder nach der Geburt auf.
Myasthene Krisen in der Schwangerschaft sollten den generellen Behandlungsleitlinien folgen, zum Beispiel intravenöse Immunglobuline oder Plasmapherese (13, 14), und sind als Notfall in einem interdisziplinären Team zu behandeln. In der generellen Behandlung der Myasthenia gravis sollte die niedrigste effektive Steroiddosis gewählt werden. Die Gabe von Magnesium bei Präeklampsie bei betroffenen Schwangeren kann zu einer krisenhaften Verschlechterung führen.
Zur Erkennung, Diagnostik und Differenzialdiagnostik mütterlicher krankheitsspezifischer Symptome sowie Komplikationen sollte bei aktiven Verläufen eine enge Verzahnung von Vertreterinnen und Vertretern der Fachrichtungen Neurologie, pränataler und maternaler Medizin sowie Neonatologie gewährleistet sein.
Eine vaginale Geburt wird auch für Frauen mit Myasthenia gravis empfohlen; allerdings sollte der Geburtsmodus vom Gesamtbild, also der respiratorischen/motorischen Erschöpfung, abhängig gemacht werden. Die glatte Muskulatur und damit die Wehentätigkeit sind nicht beeinträchtigt. Jedoch kann es im Geburtsverlauf zu einer muskulären oder auch respiratorischen Erschöpfung kommen, sodass gegebenenfalls eine vaginal-operative Geburt oder Sectio notwendig werden kann.
Wenn möglich sollten regionale Narkoseverfahren bevorzugt werden. Auch eine Periduralanästhesie ist möglich. Bestimmte Medikamente wie mehrere Antibiotikaklassen sowie Benzodiazepine können die Myasthenia gravis verschlechtern und sollten nicht eingesetzt werden (Kasten) . Die fetalen Besonderheiten, die sich aus einem transplazentaren Transport der pathogenen Antikörper bei Myasthenia gravis ergeben, werden im Abschnitt „fetale Überwachung“ beschrieben.
Die Prävalenz der rheumatoiden Arthritis liegt bei Frauen im gebärfähigen Alter etwa bei 0,2 %. Frauen mit rheumatoiden Arthritis haben auch nach Adjustierung für Parität ein jeweils etwa eineinhalb- bis zweifach erhöhtes Risiko für hypertensive Schwangerschaftskomplikationen (7–10 %), fetale Wachstumsrestriktion (15–20 %), Frühgeburtlichkeit (10–12 %) und Kaiserschnittentbindung (20–42 %) (16, 17). Venöse Thromboembolien treten zwei- bis vierfach häufiger als bei gesunden Schwangeren auf (0,2–0,4 %). Frühgeburtlichkeit und Wachstumsrestriktion wurden mit Krankheitsaktivität und höheren Glukokortikoid-Dosen assoziiert.
Die Aktivität einer rheumatoiden Arthritis wird durch eine Schwangerschaft eher günstig beeinflusst. Studien mit validierten Instrumenten zur Messung der Krankheitsaktivität fanden bei 48–60 % der Frauen mit vorher aktiver rheumatoider Arthritis Anzeichen für eine Verbesserung während der Schwangerschaft (18). Nach der Geburt hatten 39–50 % einen Schub. Bei Kinderwunsch sollte die Konzeption bei fehlender bis niedriger Aktivität geplant und eine in der Schwangerschaft sowie Stillzeit kompatible Basistherapie möglichst fortgesetzt werden, insbesondere auch im Hinblick auf das hohe Schubrisiko nach der Geburt (19). Kindliche Langzeitfolgen der mütterlichen Erkrankung sind nicht bekannt.
Der systemische Lupus erythematodes tritt bevorzugt vor dem 30. Lebensjahr auf. Die Prävalenz wird auf 55 pro 100 000 in der weiblichen Bevölkerung geschätzt. Es besteht eine signifikante Häufung von fetalen, mütterlichen und geburtshilflichen Komplikationen. Neben Frühgeburtlichkeit und Wachstumsrestriktion sind dies Präeklampsie und Thrombosen (20). Zu den wichtigsten Risikofaktoren zählt die Aktivität der Erkrankung. So erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Frühgeburt bei aktivem systemischen Lupus erythematodes von 5,5 % auf 33,3 % (21). Das höchste Risiko für Frühgeburtlichkeit und Präeklampsie besteht bei einer Kombination aus hoher klinischer und serologischer Aktivität. Zudem erhöht sich das Risiko bei positiven Antiphospholipid-Antikörpern (aPl) und bei Lupusnephritis. Die Schub-Wahrscheinlichkeit erhöht sich bei schwangeren im Vergleich zu nichtschwangeren Patientinnen um 60 %. Das Risiko ist dabei abhängig von der Aktivität vor Konzeption. Eine Therapie mit Hydroxychloroquin senkt die Schubrate. Wie gut die Chancen auf eine komplikationsarme Schwangerschaft bei stabilem systemischem Lupus erythematodes stehen, zeigt die PROMISSE-Studie, in der 80 % der Schwangerschaften unkompliziert verliefen und schwere Schübe nur in 5 % der Fälle auftraten (22). Die fetalen Besonderheiten, die sich beim Nachweis von Antikörpern gegen die ENA-Antigene SS-A/Ro- beziehungsweise SS-B/La-Antikörper ergeben, werden im Abschnitt „fetale Überwachung“ und Tabelle 2 und 3 erläutert. Dies gilt auch für Frauen mit primärem oder sekundärem Sjögren-Syndrom.
Ein Antiphospholipid-Syndrom kommt im Rahmen eines systemischen Lupus erythematodes bei circa 20 % der Betroffenen vor. Antiphospholipid-Antikörper sind mit einem höheren Risiko für Thrombosen und geburtshilfliche Komplikationen, insbesondere Spätaborte und Plazentainsuffizienz assoziiert. Die Behandlung erfolgt abhängig vom klinischen und serologischen Krankheitsbild mit Acetylsalicylsäure (ASS) und/oder Heparin (23).
Eine Schwangerschaft bei systemischem Lupus erythematodes sollte nach sechs bis zwölf Monaten fehlender beziehungsweise milder Krankheitsaktivität geplant werden. Präkonzeptionell sollte die Therapie überprüft und eine akzeptable immunsuppressive Therapie zur Remissionserhaltung fortgesetzt oder auf diese umgestellt werden. Nach einer Umstellung müssen Verträglichkeit und Wirksamkeit sechs Monate überprüft werden. Eine Therapie mit Hydroxychloroquin sollte immer fortgesetzt beziehungsweise bei fehlenden Kontraindikationen neu eingeleitet werden. Allen Patientinnen wird niedrig dosiert ASS zur Präeklampsieprophylaxe empfohlen.
Bei Nierenbeteiligung ist eine Schwangerschaftsplanung günstig bei inaktiver Lupusnephritis (mindestens sechs Monate) mit Proteinurie < 0,5 g/Tag, normaler Nierenfunktion und normalem Blutdruck. In der Schwangerschaft ist eine aktive Nephritis teils schwer von einer Präeklampsie zu unterscheiden, da ein Anstieg der Proteinurie und des Blutdrucks auf beides hindeuten kann. Hier sind zum Beispiel der Nachweis einer Erythrozyturie, ein Abfall des Komplementes und eine für den systemischen Lupus erythematodes typische Klinik zu berücksichtigen. Eine akzeptable immunsuppressive Therapie sollte auch hier zur Remissionserhaltung fortgesetzt werden.
Die Prävalenz der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, Morbus Crohn und Colitis ulcerosa, liegt bei 300 beziehungsweise 400/100 000 mit einem Inzidenz-Peak in der dritten/vierten Lebensdekade (e11). In der Vergangenheit bestand bei vielen Patientinnen mit diesen Erkrankungen eine starke Zurückhaltung gegenüber einer Schwangerschaft und/oder gegenüber der Fortführung einer auf die Erkrankungen gerichteten Medikation aus Sorge vor einem ungünstigen Verlauf (e12). Es gibt Hinweise aus älteren Studien, dass diese Patientinnen als Gesamtkohorte ein etwas erhöhtes Risiko für Wachstumsrestriktion und Frühgeburtlichkeit haben (e13).
Die Aktivität der Erkrankungen zum Konzeptionszeitpunkt hat den stärksten Effekt auf den Krankheitsverlauf während der Schwangerschaft. Aktuelle Leitlinien raten daher zu einer geplanten Konzeption im Remissionszustand. Die Frage, wie lange die Remission schon stabil sein sollte, ist aber unbeantwortet – circa sechs Monate dürfen als realistisch gelten (24, 25). Unter diesen Bedingungen kommt es bei etwa einem Drittel der Patientinnen zu einem Schub während der Schwangerschaft. In einer aktuellen Studie wurde eine deutlich verminderte Rezidivhäufigkeit beobachtet, wenn zum Konzeptionszeitpunkt eine auf die chronisch-entzündliche Darmerkrankung gerichtete Therapie bestand (26). Dies war mit einer geringeren Hospitalisierungs- und Frühgeburtlichkeitsrate sowie höherem Geburtsgewicht verbunden. Eine aktive chronisch-entzündliche Darmerkrankung zum Konzeptionszeitpunkt ist hingegen mit Frühgeburtlichkeit, Wachstumsrestriktion sowie wahrscheinlich häufigerem Frühabort verbunden (e14).
Der langfristige Krankheitsverlauf wird durch eine Schwangerschaft etwas gemildert (e15). Postpartal und während der Stillzeit besteht ein erhöhtes Schubrisiko, das mit der Krankheitsaktivität im dritten Trimester und einer möglichen Therapie-Deeskalation während der Schwangerschaft sowie in der Postpartalzeit korreliert (e16).
In die hausärztliche, internistisch-gastroenterologische und geburtshilflich-pränatalmedizinische Betreuung sollte bei perianaler Manifestation eine proktologische Mitbehandlung einbezogen werden. Eine viszeralchirurgische Mitbetreuung ist bei Vorliegen einer (intermittierenden) Stenosesymptomatik sinnvoll (25).
Die gegenwärtig angewendeten Medikamente haben keinen negativen Einfluss auf die Fertilität von Patientinnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Methotrexat wird remissionserhaltend eingesetzt, ist aber bezüglich einer Schwangerschaft streng kontraindiziert und muss mindestens drei Monate vor Konzeption abgesetzt werden.
Mangelernährung ist bei Patientinnen mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen kein seltenes Problem; daher sollen Screening und gegebenenfalls gezielte Interventionen vor und während der Schwangerschaft sowie Stillzeit erfolgen (27). Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt die Einnahme von 550 µg/Tag Folsäure bereits vier Wochen vor der Konzeption und während des ersten Trimesters. Nach der europäische Leitlinie sollen die Eisen- (beziehungsweise Ferritin-) und Folsäure-Werte kontrolliert und gegebenenfalls in erhöhter Dosis supplementiert werden (27). Neben den oralen Eisenpräparaten, die von diesen Patientinnen oft schlecht vertragen werden, steht mit den modernen Dextran-freien intravenösen Eisen-Präparaten eine wirksame und gut verträgliche Substitutionstherapie für die Anwendung im zweiten und dritten Trimester zur Verfügung (28).
Klinische Zeichen vermehrter Krankheitsaktivität sind schlecht zu differenzieren von häufig während der Schwangerschaft auftretenden Beschwerden wie Abdominalschmerzen, Übelkeit, analen Blutungen aus Hämorrhoiden und Stenosesymptomatik/Obstipation. Das fäkale Calprotectin wird – im Gegensatz zu Hämoglobin, C-reaktivem Protein und Albumin – nicht durch die Schwangerschaft verändert und scheint als Verlaufsuntersuchung gut geeignet, einen sich entwickelnden Schub zu erkennen (e17). Der Darmultraschall korreliert gut mit dem fäkalen Calprotectin und hat einen aussagekräftigen negativen prädiktiven Wert von ungefähr 0,9; das terminale Ileum kann ab der 20. Schwangerschaftswoche aber oft nicht ausreichend eingesehen werden (e18). Eine Endoskopie wird für die Therapieentscheidung meist nicht benötigt, die Indikation sollte daher streng gestellt werden (29, e19). Narbige Stenosen können aufgrund der schwangerschaftsassoziierten Veränderungen zu einer Beschwerdeprogredienz bis hin zum Subileus beziehungsweise Ileus, der gegebenenfalls eine Resektion erforderlich macht, führen.
Bezüglich der Geburt rät die europäische Leitlinie mit Verweis auf das Risiko eines fistulierenden Verlaufes, eine Episiotomie zu vermeiden (24). Die wenigen retrospektiven Untersuchungen bestätigen dieses Risiko nicht, müssen wegen eines möglichen Selektionsbias aber mit Zurückhaltung interpretiert werden; dies gilt auch für die Indikation zur primären Sectio bei bestehendem ileoanalen Pouch (30). Ein manifester perianaler, fistulierender Morbus Crohn oder eine Crohn-Proktitis sind Indikationen zur primären Sectio.
Bei einer erkrankten Mutter liegt das kindliche Risiko, einen Morbus Crohn beziehungsweise eine Colitis ulcerosa zu entwickeln, bei 2,7 beziehungsweise 3,7 % (e20). Es gibt keine Hinweise auf eine Entwicklungsverzögerung beim Kind in Folge einer auf die chronisch-entzündliche Darmerkrankungen gerichteten Therapie während der Schwangerschaft (31).
Ausmaß und Methoden der fetalen Überwachung orientieren sich am individuellen Risiko der Schwangeren, abhängig von allgemeiner und reproduktiver Anamnese sowie Risiken im Schwangerschaftsverlauf (Tabelle 2) .
Risiken bei Schwangeren mit Autoimmunerkrankungen, die eine über das Ultraschall-Screening hinausgehende fetale Diagnostik und Überwachung erfordern, sind überwiegend die plazentaassoziierten Erkrankungen (Präeklampsie/Wachstumsrestriktion), vor allem bei systemischem Lupus erythematodes und nach neuesten Daten wohl auch bei Sjögren-Syndrom, seltener Auswirkungen einer medikamentösen Therapie.
Das Ausmaß von Wachstumsrestriktion, Schwangerschaftsalter, Dopplerbefunden sowie Symptomatik bestimmen die Kontrollintervalle von Wachstum und fetalem Zustand (e21, e22). Beim multimodalen Präeklampsiescreening im ersten Trimester lässt sich das Auftreten einer Präeklampsie vor der 37. Schwangerschaftswoche in 75 % der Fälle vorhersagen (e23) und in diesem Risikokollektiv durch die Gabe von 150 mg ASS/Tag, beginnend vor der 16. SSW, um 60 % reduzieren (e24). Beim systemischen Lupus erythemathodes wiegen die maternalen Risikofaktoren so schwer, dass ohne ein Präeklampsiescreening eine ASS-Prophylaxe ab der 12. SSW bis zur Geburt durchgeführt werden sollte (32, 33, e25, e26, e27, e28), aufgrund der in einigen Studien erhöhten Rate an peripartalen maternalen und auch neonatalen intrazerebralen Blutungen nur bis zur 36. Schwangerschaftswoche (e29, e30).
Autoimmunantikörper der IgG-Klasse treten etwa ab der 13. SSW transplazentar auf den Feten über (e31). SS-A/Ro-Antikörper sind bei 30–40 % der Schwangeren mit systemischen Lupus erythemathodes und bei 60–70 % mit Sjögren-Syndrom vorhanden. Diese können gemeinsam mit SS-B/La-Antikörpern einen neonatalen Lupus erythematodes verursachen. Symptome wie Hautveränderungen, Anämie und Thrombozytopenie sind postnatal mit Verschwinden der maternalen Antikörper reversibel, nicht aber ein kompletter kongenitaler AV-Block (CCHB) – vielfach das einzige Symptom des neonatalen Lupus erythematodes. Der CCHB weist eine hohe perinatale Mortalität, Kurz- und Langzeitmorbidität auf (Tabelle 3) (34, 35, e32, e33).
Während SS-A-Antikörper gegen Ro52 eine Inflammation im Bereich des Reizleitungssystems, auch eine Myokarditis, induzieren können, wirken Ro60- und La48-Antikörper modifizierend (e33, e34, e35, e36, e37, 34, 35). Tabelle 3 enthält Informationen zum Vorgehen bei Schwangeren mit bekannten SS-A/Ro-Antikörpern sowie bei Diagnose eines immunologisch bedingten CCHB des Feten.
Bei einer Myasthenia gravis können plazentagängige Acetylcholin-Rezeptor(AChR)-Autoantikörper Anzahl und/oder Funktion des AChR an der motorischen Endplatte vermindern. Der AChR besteht aus zwei α-Untereinheiten, einer β-, einer δ- sowie einer γ-Untereinheit (fetale Form) in den sich entwickelnden Muskelfasern beziehungsweise ab der 30. SSW einer ε-Untereinheit (adulte Form) in den entwickelten Muskelfasern (e38). Maternale Autoantikörper sind meist gegen die α-Untereinheit gerichtet. Sie können bei 10–20 % der Neugeborenen zu einer transienten kongenitalen Myasthenie führen – gekennzeichnet durch Hypotonie, Saugschwäche, Dysphagie und schwaches Schreien, selten auch Atemschwäche und Aspiration. Eine Therapie mit Acetylcholinesterasehemmern ist dann indiziert (14, 36, e39).
Seltener sind Autoantikörper gegen die fetale γ-Untereinheit gerichtet. Diese können isoliert bei asymptomatischen Schwangeren vorhanden sein und das „fetal AChR inactivation syndrome“ (e40) in Form einer Arthrogryposis multiplex, selten auch einer fetalen Akinesie-Deformations-Sequenz mit multiplen Gelenkkontrakturen und Lungenhypoplasie (36, e39), aber auch einer Myopathie (e40, e41) hervorrufen. Die pränatale Diagnostik bei Myasthenia gravis beinhaltet die besondere Beachtung der Gelenkstellung und Motorik (e41).
Interessenkonflikt Prof. Fischer Betz erhielt Beraterhonorare von UCB. Sie wurde honoriert für Vorträge von Abbvie, Biogen, BMS, Chugai, GSK, Novartis, Medac, MSD, Pfizer und UCB. Sie erhielt Reisekostenerstattung von Abbvie, Biogen, BMS, Chugai, GSK, Novartis, Medac, MSD, Pfizer und UCB. Sie ist Mitglied im Vorstand der DGRH. Ihr wurde Schreibunterstützung zuteil von UCB.
Prof. Hellwig erhielt Honorare für Beratertätigkeiten von Biogen, Roche, Merck und Genzyme. Sie erhielt Erstattung von Teilnahmegebühren für Kongresse von Biogen, Teva, Novartis, Roche und Merck. Reisekostenerstattung wurde ihr zuteil von Biogen, Teva, Novartis und Merck. Für die Vorbereitung von wissenschaftlichen Fortbildungsveranstaltungen wurde sie honoriert von Bayer, Biogen, Teva, Novartis, Roche und Merck. Für die Durchführung von klinischen Auftragsstudien erhielt sie Gelder von Merck, Roche und Biogen. Für ein von ihr initiiertes Forschungsvorhaben bekam sie Gelder von Biogen, Bayer, Genzyme, Merck, Novartis, Teva und Roche.
Die übrigen Autorinnen und Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
Manuskriptdaten eingereicht: 19. 4. 2021, revidierte Fassung angenommen: 1. 10. 2021
Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Waltraut Maria Merz, M.Sc. Universitätsklinikum Bonn, Zentrum für Geburtshilfe und Frauenheilkunde Venusberg-Campus 1, 53127 Bonn waltraut.merz@ukbonn.de
Zitierweise Merz WM, Fischer-Betz R, Hellwig K, Lamprecht G, Gembruch U: Pregnancy and autoimmune disease: diseases of the nervous system, connective tissue, and the bowel. Dtsch Arztebl Int 2022; 119: 145–56. DOI: 10.3238/arztebl.m2021.0353
►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter: www.aerzteblatt-international.de
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