Behandlungsoptionen bei Statin-assoziierten Muskelbeschwerden

2022-10-14 21:56:38 By : Mr. Rain tan

Hintergrund: In Deutschland erhalten etwa 4,6 Millionen Menschen Statine, 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A (HMG-CoA)-Reduktasehemmer. Da Statine die Konzentration der Low-Density-Lipoproteine (LDL) senken, vermindert sich die Rate kardiovaskulärer Ereignisse, wobei der Effekt vom Ausmaß der LDL-Cholesterinsenkung abhängt. Muskelsymptome sind eine klinisch bedeutsame Nebenwirkung der Statin-Therapie.

Methode: Selektive Literaturrecherche und Berücksichtigung der aktuellen Empfehlungen der European Atherosclerosis Society.

Ergebnisse: Die Prävalenz Statin-assoziierter Muskelsymptome (SAMS) beträgt mindestens 5 %. Die Ätiologie ist heterogen. SAMS können mit erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität einhergehen und Komplikationen bis hin zur Rhabdomyolyse (Rate circa 1:100 000) nach sich ziehen. Häufig sind sie Anlass dafür, die Statin-Dosierung zu reduzieren, und wirken sich negativ auf die Medikamenteneinnahmetreue aus. Nachdem die Behandlung durch Änderung des Statin-Präparats, der Dosierung oder der Einnahmefrequenz optimiert wurde, können mehr als 90 % der SAMS-Patienten dauerhaft mit einem Statin behandelt werden, um so das Wirkungspotenzial der Statine auszuschöpfen. Wenn das LDL-Cholesterin unter der maximal verträglichen Statin-Dosierung nur unzureichend gesenkt werden kann, ist eine Kombinationstherapie indiziert.

Schlussfolgerung: SAMS sind wichtige Nebenwirkungen der Statin-Therapie, weil sie die Einnahmetreue einschränken. Nach sorgfältiger klinischer Diagnostik und Anleitung der Patienten ist es zumeist möglich, eine Statin-Therapie auch dann weiter zu führen, wenn Muskelbeschwerden aufgetreten sind.

Low-Density-Lipoproteine (LDL) sind kausal an der Pathogenese der Atherosklerose beteiligt (e1–e5). Statine sind 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A (HMG-CoA)-Reduktasehemmer und gehören zu den am besten untersuchten Medikamenten. Sowohl die Risikoreduktion als auch die Sicherheit der Therapie sind unumstritten (1, 2). Statine werden daher in Leitlinien zur kardiovaskulären Prävention empfohlen (e6–e8). Allerdings gibt etwa ein Drittel der langfristig Behandelten Schwierigkeiten mit einer regelmäßigen Einnahme an (3, 4). Eine reduzierte Einnahmetreue von Statinen ist linear mit einer erhöhten Sterblichkeit vergesellschaftet (5). Eine Verbesserung der Einnahmetreue von Statinen ist mit einer Reduktion der kardiovaskulären Morbidität sowie Mortalität assoziiert und eine wichtige Aufgabe der ärztlichen Versorgung (Tabelle) (5, e9).

Häufigkeit von Muskelbeschwerden unter Statin-Therapie

In der klinischen Praxis und in Beobachtungsstudien berichten 10–30 % der Patienten Statin-assoziierte Muskel-Symptome (SAMS) (4, e10–e13). SAMS sind relevante Ursachen für eine reduzierte Einnahmetreue (6, e14). Dabei besteht eine auffällige Diskrepanz zwischen der Inzidenz in Registern und in randomisierten Studien. Die Häufigkeit von Muskelbeschwerden in randomisierten Studien ist geringer und unterscheidet sich kaum zwischen der Statin- und Placebogruppe (7–9, e15, e16). Die Ursachen sind vielfältig. In einigen Studien wurden Patienten mit Muskelbeschwerden oder Statin-Unverträglichkeiten ausgeschlossen. Leichte Muskelbeschwerden wurden nicht immer systematisch erfasst. In einer Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe kann die tatsächliche Inzidenz der SAMS überschätzt werden. Muskelbeschwerden bei 420 Statin-naiven Menschen wurden in einer prospektiven randomisierten Studie (e17) evaluiert: Die Inzidenz von Muskelschmerzen betrug 9,4 % unter 80 mg Atorvastatin pro Tag über einen Zeitraum von sechs Monaten im Vergleich zu 4,6 % unter Placebo. Nach Angaben des Arzneiverordnungs-Reports wurden im Jahr 2013 in Deutschland 1,707 Milliarden Statin-Tagesdosen verordnet und demnach etwa 4,7 Millionen Menschen behandelt. Bei einer geschätzten SAMS Prävalenz von 5–10 % ist in Deutschland jährlich von 235 000–470 000 Patienten mit SAMS auszugehen.

Klinisch sind SAMS heterogen. Die Patienten berichten von proximalen, symmetrischen Schmerzen, Verspannungen, Steifheit oder Krämpfen, die von Muskelschwäche begleitet sein können. Der klinischen Erfahrung der Autoren nach scheinen körperlich Aktive besonders betroffen zu sein (10). Meist ist die Kreatinkinase (CK, EC 2.7.3.2) nicht erhöht, bei Patienten, die sich sportlich betätigen, kann aber eine leichte CK-Erhöhung auf bis zu 400 U/L nicht von einer physiologischen Steigerung nach Trainingsbelastung differenziert werden. In der Literatur existieren unterschiedliche Einteilungen der SAMS. Die Autoren der vorliegenden Übersichtsarbeit schlagen die Einteilung nach eTabelle 1 vor.

CK-Erhöhungen über das Zehnfache der oberen Grenze des Normalbereichs treten mit einer Inzidenz von 1:1 000–1:10 000 pro Jahr auf (11). Noch seltener (circa 1 pro 100 000 Patienten) sind schwerste Muskelschädigungen mit massiver Freisetzung von Myoglobin (Rhabdomyolyse). Die Rhabdomyolyse ist von sehr hoher CK-Aktivität und Myoglobinurie begleitet. Sie kann zu akutem Nierenversagen mit Todesfolge führen.

Bei circa 4 % der asymptomatischen Patienten mit dem Zufallsbefund einer CK-Erhöhung liegt eine Makro-CK vor. Hierbei handelt es sich um CK-Varianten mit hoher Molekülmasse. Die Werte von Troponin, Myoglobin, Lactatdehydrogenase (LDH), Glutamat-Oxalacetat-Transaminase (GOT), Glutamat-Pyruvat-Transaminase (GPT) sind im Normbereich, die CK-Aktivität ändert sich nicht im Zeitverlauf. Die spezifische Diagnostik einer Makro-CK erfolgt durch Isoenzymelektrophorese. Der Makro-CK Typ 1, bei dem die CK-BB (Hirntyp) an spezifische Antikörper bindet, hat keinen Krankheitswert. Dahingegen kommt Typ 2, der durch mitochondriale CK in oligomerer Form charakterisiert ist, bei Malignomen, Leberzirrhose und Lyell-Syndrom vor.

Typisch für SAMS ist, dass die CK-Aktivität innerhalb weniger Wochen nach Ende der Statin-Einnahme abfällt, die Symptome erneut auftreten und/oder die CK innerhalb von ein bis maximal vier Wochen ansteigt, wenn das Statin wieder eingesetzt wird. Bei sportlich Aktiven sollte eine Kontrolluntersuchung nach Trainingspause von einer Woche erfolgen. Das klinische Vorgehen ist abhängig von den Beschwerden und vom Ausmaß der CK-Erhöhung. Dabei werden Muskelbeschwerden mit einer CK-Erhöhung auf weniger als das Vierfache der oberen Grenze des Normalbereichs von Anstiegen über diese Grenze unterschieden. Bei Patienten mit derartig ausgeprägten CK-Erhöhungen sollten Statine auf jeden Fall zunächst abgesetzt werden (2). Diese Empfehlungen beruhen nicht auf Studiendaten, sondern tragen dem Risiko einer potenziellen Rhabdomyolyse aufgrund klinischer Erfahrung Rechnung.

Die Pathophysiologie von SAMS ist noch nicht vollständig verstanden. Eine Reihe molekularer Mechanismen wird diskutiert (Kasten 1) (12–18), unter anderem Veränderungen des zellulären Energiestoffwechsels, der Isoprenylierung von Signalproteinen und der Mitochondrien (11–20, e18–e25). Muskelbiopsie-Studien unterstützen die Hypothese einer gestörten Mitochondrienfunktion, die allerdings nicht durchgängig bestätigt wird (e18–e24).

Viele klinische und konstitutionelle Faktoren erhöhen das Risiko für SAMS (Kasten 2) , deren Häufigkeit auch von Dosis und Plasmakonzentrationen der Statine abhängt. Bei einer Behandlung mit Standarddosen, zum Beispiel 20–40 mg Simvastatin pro Tag, treten ausgeprägte Symptome nur bei einem von 10 000 Behandelten pro Jahr auf. Das Risiko steigt jedoch mit höheren Dosierungen exponentiell an. Klinisch besonders relevant ist die Erhöhung der wirksamen Konzentration von Statinen durch die gleichzeitige Einnahme von Medikamenten wie Makrolidantibiotika oder Azolantimykotika, die mit dem Statin-Abbau interferieren, oder auch Grapefruitsaft (eKasten 1) (11, 19).

Sowohl bei Ausdauer- (Radfahren, Laufen) als auch Krafttraining unter Statintherapie kommen Symptome vor, die von Muskelkater kaum zu differenzieren sind, nur insgesamt länger persistieren und häufig subjektiv ein weiteres Training nicht möglich machen. Differenzialdiagnostisch ist zu bedenken, dass bei muskulären Belastungen die CK regelhaft auf 500–600 U/L ansteigen kann. Eine Trainingspause und Kontrolle der Werte kann in diesem Fall weiterhelfen. Alkoholabusus als eine häufige Ursache einer CK-Erhöhung und Rhabdomyolyse sollte ausgeschlossen werden.

Bei der Suche nach genetischen Ursachen wurde eine starke Assoziation zwischen Polymorphismen im „solute carrier organic anion transporter family member 1B1“ (SLCO1B1)-Gen und SAMS unter Simvastatin gefunden (20, e25). SLCO1B1 ist ein hepatischer Transporter, der unter anderem für die Aufnahme von Statinen in die Leber verantwortlich ist. Durch einen Polymorphismus (c.521T>C, p.V174A) wird die Konzentration der Statine im Blut erhöht (e26). Heterozygote Träger dieses Gendefekts weisen ein 4,5-fach, Homozygote ein 17-fach erhöhtes Risiko für Myopathien unter Simvastatin auf. Der Einfluss der SLCO1B1-Variante auf die Plasmakonzentration von Statinen nimmt in der folgenden Reihenfolge ab:

Weitere Genvarianten mit potenziellen Auswirkungen auf die Statin-Konzentration wurden identifiziert (15, 23, e27–e34).

Statine erhöhen die Detektionsrate eines Hämoglobin A1C (HbA1C) > 6,5 % um etwa 9 % (e35). Insbesondere Patienten mit Diabetes mellitus profitieren von einer Statin-Therapie (e36). Zwischen dem erhöhten Risiko eines Diabetes mellitus und SAMS unter Statintherapie besteht kein Zusammenhang.

Die CK-Aktivität ist weder sensitiv noch spezifisch für SAMS. Geeignetere Laborparameter sind nicht bekannt. Um auffällige Erhöhungen der CK-Aktivität unter Therapie einordnen zu können, ist aus Sicht der Autoren deren einmalige Bestimmung vor Therapiebeginn ratsam. Ferner sollten das Thyreoidea-stimulierende Hormon (TSH), Transaminasen, die errechnete glomeruläre Filtrationsrate und Eiweiß im Urin gemessen werden (24).

Ein allgemeines Screening auf die SLCO1B1-Gen-Variante ist nach Meinung der Autoren nicht sinnvoll, kann aber in Einzelfällen bei hohem Risiko für SAMS diskutiert werden. Hierzu gehören:

Beim SLCO1B1-Gendefekt sollte Simvastatin, vor allem in Dosierungen > 20 mg, vermieden und ein anderes Statin gewählt werden (23, 26).

Bildgebende Methoden zum Nachweis von SAMS fehlen. In der Literatur werden klinische Punkteschemata für die Diagnostik vorgeschlagen (4, 27, e17). Die Autoren empfehlen im Einklang mit der European Atherosclerosis Society (EAS) den Kriterienkatalog von Rosenson et al. (27) (eTabelle 1). Die Diagnose beruht auf einer sorgfältigen Anamnese, die die typische Präsentationsform und die klare zeitliche Assoziation der Beschwerden mit Statin-Einnahme und -Unterbrechung sowie einer erneuten Exposition einschließt. Die Beschwerden treten typischerweise vier bis sechs Wochen nach Therapiebeginn auf. Meist sind große Muskelgruppen wie Oberschenkel-, Schultergürtel- und Oberarmmuskulatur betroffen. SAMS können sich jedoch auch erst nach mehrjähriger Behandlung manifestieren. SAMS treten häufig nach einer Dosiserhöhung oder nach dem Verschreiben eines interagierenden Medikaments auf (eKasten 1).

Eine schon bestehende asymptomatische Myopathie kann durch Statin-Einnahme demaskiert werden (e37). Das typische Kennzeichen dieser Konstellation ist eine vorbestehende CK-Erhöhung oder der fehlende Abfall der erhöhten CK-Aktivitäten nach Absetzen des Statins. Auch eine verzögerte Rückbildung von muskulären Beschwerden nach Absetzen kann auf eine subklinische Myopathie anderer Genese hinweisen. Das Elektromyogramm (EMG) zeigt bei SAMS – auch mit CK-Erhöhung – keine spezifischen Befunde und ist indiziert, wenn eine Myopathie anderer Ursache differenziert werden soll. Kasten 3a und Kasten 3b enthalten weiterführende differenzialdiagnostische Hinweise zu Muskelbeschwerden und CK-Erhöhung (28).

In der Mehrheit der Fälle lassen sich weder eindeutige muskuläre oder neurologische Pathologien, noch relevante Arzneimittelinteraktionen identifizieren (29, 30, e11). Große Fallserien zeigen, dass Patienten mit Muskelbeschwerden unter einer Statin-Therapie mehrheitlich im weiteren Verlauf mit einem Statin behandelt werden können. Von 11 124 Patienten, bei denen eine Statin-Medikation aufgrund von Muskelbeschwerden beendet wurde, konnten 92 % schließlich doch mit einem Statin therapiert werden (e11). In der Cleveland Clinic (Ohio, USA) wurden zwischen 1995 und 2010 1 605 Patienten mit der Verdachtsdiagnose Statin-Intoleranz untersucht; 1 165 Patienten konnten in der Folge dauerhaft ein Statin einnehmen (30). In sogenannten n=1-Studien erhielten Patienten nach einer Medikamentenpause individuell, doppelblind und in zufälliger Reihenfolge Statin oder Placebo (29). Die Beschwerden, die während der Statin- und der Placebophase berichtet wurden, unterschieden sich nicht signifikant. Die meisten Patienten konnten nach der Reexposition zu ihrer ursprünglichen Medikation zurückkehren.

Zusammengefasst zeigen die Daten, dass ein sehr großer Anteil der Muskelbeschwerden nicht spezifisch Statin-assoziiert ist. Das entspricht den Ergebnissen der Heart Protection Study (HPS), in der 32,9 % der Teilnehmer unter 40 mg Simvastatin und 33,2 % unter Placebo mindestens einmal über Myalgien oder Muskelschwäche klagten (8). Die Ergebnisse decken sich mit den Erfahrungen aus anderen Bereichen der Schmerzforschung. Die Herausforderung im klinischen Alltag besteht darin, Perzeptions- und Übertragungsphänomene sowie den Hawthorne-Effekt von klassischen organischen Muskulopathien zu unterscheiden. Nur bei einer verschwindend geringen Zahl von Patienten ist das dauerhafte Absetzen der Statin-Medikation erforderlich, zum Beispiel bei 0,5 % der Teilnehmer der HPS, in der mehr als 30 % über Muskelprobleme klagten (2). Häufig werden von den Betroffenen jedoch hohe Statin-Dosierungen nicht vertragen.

Vor der Einleitung einer Statin-Therapie stehen die eingehende Anamnese und die oben angeführte Basisdiagnostik. Folgende Hinweise können helfen, SAMS zu vermeiden:

Ein wichtiger Faktor für die Diagnostik und in vielen Fällen der Schlüssel zum Erfolg ist ausreichend Zeit für den Patienten.

Viele Beschwerden lassen sich viralen Infekten, ungewohnter körperlicher Aktivität und Arzneimittelinteraktionen zuordnen. Nicht-Statin-assoziierte muskuläre Erkrankungen müssen berücksichtigt werden (Kasten 3).

Das Arzt-Patienten-Gespräch soll Ängste und Erwartungen des Betroffenen sowie dessen psychosoziale Situation berücksichtigen. Ein großer Anteil der vermeintlich Statin-assoziierten Muskelbeschwerden kann dadurch anderweitig zugeordnet werden.

Beim weiteren Vorgehen wird nach Expertenempfehlung (2) zwischen Betroffenen mit CK-Erhöhung über dem Vierfachen der Obergrenze des Referenzbereichs und symptomatischen Patienten mit geringerer oder keiner CK-Erhöhung unterschieden (Grafik). Auf jeden Fall sollte die Statin-Medikation unterbrochen werden. Wenn die CK jenseits des Vierfachen der Referenzbereichsgrenze erhöht ist, sollte die Reexposition vorsichtig unter engmaschiger Kontrolle und mit einer geringeren Dosierung beziehungsweise einem weniger potenten Statin erfolgen. Bei fehlender oder geringer CK-Erhöhung kann die Statin-Exposition schneller und mit dem ursprünglichen Präparat erfolgen. Durch das Pausieren und die Reexposition klären Patient und Arzt, inwieweit die geschilderte Symptomatik tatsächlich im Zusammenhang mit der Statin-Medikation steht (eTabelle 1). Bei der Mehrheit der Fälle ist dies nicht der Fall.

Nach klinischer Erfahrung kann es psychologisch günstig sein, die Reexposition mit einem anderen Statin vorzunehmen. Aufgrund des hohen Interaktionspotenzials scheinen Patienten unter Simvastatin vermehrt über Muskelbeschwerden zu berichten (eKasten 2). Trotz desselben Abbauwegs über Cytochrom P450 3A4 kann es erfolgreich sein, auf eine niedrige Dosis des potenteren Atorvastatin umzusetzen. Allerdings besteht keinerlei Regelhaftigkeit: Fälle, bei denen Patienten mit Muskelbeschwerden unter Atorvastatin Simvastatin besser vertragen, kommen vor. Ein Vorteil von Fluvastatin und Pravastatin liegt in ihrem von Cytochrom P450 3A4 unabhängigen Abbauweg, was auch zum großen Teil für Rosuvastatin gilt.

Wichtig für die Beurteilung der Verträglichkeit einzelner Statine ist die Verwendung von äquipotenten Dosierungen. Fluvastatin und Pravastatin sind niedrig potent: 40 mg Fluvastatin entsprechen 5–10 mg Atorvastatin, 40 mg Pravastatin 10–20 mg Atorvastatin. Entgegen pharmakologischer Überlegungen wird in der klinischen Praxis kein Unterschied zwischen der Häufigkeit von SAMS unter Therapie mit hydrophilen (Prava-, Rosuvastatin) und lipophilen Statinen beobachtet (e16).

Ermitteln der höchsten verträglichen Dosierung

Falls die Beschwerden nach einer Pause sistieren und nach Reexposition wieder auftreten, ist der nächste Schritt, die höchste tolerierte Statin-Dosierung zu etablieren. Es empfiehlt sich, mit einer sehr niedrigen Statin-Dosierung zu beginnen, zum Beispiel Atorvastatin 5 mg. Die Tablette muss in diesem Fall geteilt werden. Alternativ kann das Statin nur jeden zweiten Tag oder seltener eingenommen werden (30). Wegen der sehr langen Halbwertszeit von Atorvastatin und Rosuvastatin bedeutet dies keinen wesentlichen Wirkungsverlust, kann sich aber ungünstig auf die Einnahmetreue auswirken (30). Die Dosisfindung kostet Zeit, da die Dosierung nicht schneller als im Zweiwochenrhythmus gesteigert werden sollte.

Oft wird der notwendige LDL-C-Zielwert mit der höchsten tolerierten Dosierung nicht erreicht. Dann besteht die Indikation für eine Kombinationstherapie. Angesichts der Ergebnisse der IMPROVE-IT-Studie (32) empfehlen die Autoren, bei Patienten mit Statin-assoziierten Muskelbeschwerden und hohen LDL-C-Werten in erster Linie Ezetimib zu nutzen (2). Die Studie zeigte, dass die Kombination von Simvastatin mit 10 mg Ezetimib zu einer weiteren Reduktion von Myokardinfarkten führt. Die Gesamtsterblichkeit sowie die Sterblichkeit aufgrund kardiovaskulärer und kardialer Ereignisse waren nicht reduziert. Fällt LDL-C unter der gleichzeitigen Einnahme eines Statins und Ezetimib nicht ab, ist wahrscheinlich die Einnahmetreue nicht gegeben. Wird auch unter der Kombination mit Ezetimib der Zielwert nicht erreicht, kommen für Einzelfälle Gallensäure-bindende Ionenaustauscher wie Colestyramin und Colesevelam in Frage. Fibrate, insbesondere Gemfibrozil, können ebenfalls Statin-assoziierte Muskelbeschwerden verursachen. In dieser Situation kann der Rat einer Lipidambulanz hilfreich sein.

Bei familiärer Hypercholesterinämie oder besonders ausgeprägter Statin-Unverträglichkeit und hohem kardiovaskulären Risiko ist die Lipoproteinaphärese zu diskutieren.

Wie bei allen Schmerzzuständen verbessert eine Placebo-Therapie die Symptome vieler Patienten. In der Literatur werden Coenzym Q10 sowie Vitamin D zur Behandlung von Statin-assoziierten Muskelbeschwerden vorgeschlagen. Da deren Wirkung aber nicht durch belastbare randomisierte Studien belegt ist, empfehlen die Autoren diese nicht (e38–e46).

Zwei neue LDL-C-senkende Substanzklassen befinden sich in einem fortgeschrittenen Stadium der klinischen Prüfung, die Cholesterylestertransferprotein(CETP)- (33–35) und die Proprotein-Convertase-Subtilisin/Kexin-9(PCSK9)-Inhibitoren. Letztere wurden gezielt bei Patienten mit Statin-Unverträglichkeit getestet und aktuell zur Therapie zugelassen. Sie senken LDL-C auch in diesem Kollektiv deutlich (36, 37, e47, e48). Der Nachweis, dass sie hinsichtlich ihrer Verträglichkeit überlegen sind, steht aber noch aus.

Interessenkonflikt Prof. Laufs erhielt Berater- und/oder Vortragshonorare, Studienunterstützung (Drittmittel), Reisekosten- oder Kongressgebührenerstattung von ABDA, AkdÄ, Amgen, AstraZeneca, Bayer, Berlin-Chemie, BNK, Boehringer-Ingelheim, DACH, Daiichi-Sankyo, i-cor, Lilly, Medtronik, MSD, Pfizer, Roche, Sanofi, Servier, Synlab, UdS und UKS.

Prof. Halle bekam Berater- und/oder Vortragshonorare sowie Reisekosten- und/oder Kongressgebührenerstattung von den Firmen Sanofi-Aventis, MSD, BMS, Roche, AstraZeneca, Amgen und Berlin-Chemie.

Prof. Windler erhielt Honorare für Vorträge und Beratungen von den Firmen Amgen, AstraZeneca, Bayer, Danone, MSD Sharp & Dohme, Novartis, Pfizer, Roche Pharma, Unilever und Sanofi.

Prof. Endres bekam Berater- oder Vortragshonorare, Studienunterstützung (Drittmittel), Reisekosten- oder Kongressgebührenerstattung von Amgen, Bayer, Boston Scientific, BMS, Boehringer-Ingelheim, Ever, GSK, MSD, Novartis, Pfizer und Sanofi.

Prof. März ist Angestellter von Synlab Services GmbH und Anteilseigner der Synlab Holding GmbH, Augsburg. Er bekam Vortrags- und Beraterhonorare von den Firmen Aegerion Pharmaceuticals, Amgen, AstraZeneca, Danone Research, Sanofi, MSD, Synageva und Unilever.

Assoz. Prof. Scharnagl erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten eingereicht: 29. 4. 2015, revidierte Fassung angenommen: 10. 7. 2015

Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med Ulrich Laufs Klinik Innere Medizin III, Universitätsklinikum des Saarlandes 66421 Homburg

Zitierweise Laufs U, Scharnagl H, Halle M, Windler E, Endres M, März W: Treatment options for statin-associated muscle symptoms. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 748–55. DOI: 10.3238/arztebl.2015.0748

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